Clancy, Tom
die Anlage
fahren würde. Kurz danach würde er nach Norden abbiegen und schließlich durch
das Viehgatter fahren, durch das Ibrahim und die anderen eingedrungen waren.
Wie würden die Wärter reagieren, wenn sie den anderen Pick-up nicht vorfanden?
Ibrahim hielt es für besser, ihre Reaktion gar nicht erst abzuwarten.
Es blieben
ihnen noch zwölf Minuten. Sagen wir mal vier Minuten, um die Ladungen
anzubringen, überlegte Ibrahim, dann weitere acht Minuten, um die eineinhalb
Kilometer zum Viehgatter zurückzulegen. Oder gab es noch eine andere Option?
Sein Herz
klopfte heftig, als er seine Schritte verlangsamte. Und auch der Pick-up wurde
langsamer, kam beinah zum Stillstand. Ibrahim winkte den Wärtern grüßend zu und
rief auf Portugiesisch: »Boa tarde!« -
Guten Abend. Gleichzeitig bog er den Rücken ganz leicht durch, bis er
die Glock deutlich in seinem Gürtel spürte.
Nach
schier endlosen fünf Sekunden rief der Fahrer zurück: »Wie läuft's?«
Ibrahim
zuckte die Schultern. »Bern.« Gut. Anscheinend
gelassen schlenderte er auf den Pick-up zu. Wie nahe?, überlegte er fieberhaft. Um beide
Männer ausschalten zu können, bevor sie eine Chance hatten, ihre Funkgeräte zu
aktivieren, durfte er höchstens zehn bis zwölf Meter entfernt sein. Würden sie
schon vorher misstrauisch werden, wenn sie sein Gesicht oder seinen Overall
sahen? Sollte er einfach vorstürmen und losballern? Nein, entschied er. Der
Pick-up würde wahrscheinlich davon rasen. Ibrahim blieb stehen.
»Was
treibst du denn so?«, fragte der Fahrer.
»Schweißnähte
überprüfen«, gab Ibrahim zur Antwort. »Der Boss wollte uns wohl ein bisschen
beschäftigen. Ihm stinkt's, wenn wir faulenzen.«
Der Fahrer
lachte. »Das kenne ich. Bis später.«
Der Gang
wurde eingelegt, und der Pick-up rollte wieder an. Und stoppte erneut. Die
Rückfahrscheinwerfer leuchteten auf; der Pick-up rollte rückwärts, bis er
wieder neben Ibrahim stand. »Bist du am Viehgatter vorbeigekommen?«, fragte der
Fahrer.
Ibrahims
Herz raste. Er nickte nur.
»Stand ein
Pick-up dort?«
»Hab
keinen gesehen. Gibt's ein Problem?«
»Paiva und
Cabral reagieren nicht auf Funkrufe.«
Ibrahim
deutete mit dem Daumen über die Schulter auf die anderen, die an der Pipeline
entlang verteilt waren. »Unsere funktionieren heute auch nicht einwandfrei.«
»Wahrscheinlich
Sonnenstürme oder so was«, meinte der Fahrer. »Du redest ein bisschen komisch.«
»Komme aus
Angola. Lebte bis vor einem Jahr dort.« Der Fahrer zuckte die Schultern. »Okay,
Mann. Mach's gut.«
Der
Pick-up fuhr an und rollte davon. Ibrahim wartete, bis er den Motor nicht mehr
hörte, dann atmete er tief aus. Fast am Ziel.
Allah, leite mich. Er überquerte die Straße, stieg in
die Wasserabflussrinne hinunter, dann auf der anderen Seite wieder hinauf. Der
Zaun war jetzt klar zu sehen, ungefähr hundert Meter entfernt. Ibrahim ging an
der letzten Stütze vorbei und begann, seine Schritte zu zählen. Ungefähr auf
halbem Weg blieb er stehen und kniete nieder. Die Pipeline verlief direkt über
seinem Kopf. Er konnte hören, wie das Ethanol gurgelnd durch die Stahlröhre
strömte.
Die erste
seiner zwei Ladungen war auch zugleich die größte der sechs. Sie wog nicht ganz
200 Gramm und passte hervorragend in eine Männerhand. Er stellte den
Digitaltimer der Ladung auf vier Minuten und zehn Sekunden ein, den der
zweiten Ladung auf fünf Minuten. Er presste die Augen zusammen, betete kurz und
stand wieder auf. Dann befestigte er die Hauptladung an der Unterseite der
Pipeline und schaltete die Zeitschaltuhr ein. Zwei Sekunden lang beobachtete er
den Timer, dann trat er auf die Straße hinaus und kratzte sich am Kopf. Er
wartete lang genug, um sich sicher zu sein, dass alle sein Zeichen gesehen
hatten, dann setzte er den Timer seiner letzten Ladung in Gang und stopfte sie
in die Schutzhülle aus Noppenfolie und Klebebändern.
Er warf
das Bündel über den Zaun, wandte sich ab und marschierte los.
M endley, Granger und Rick Bell verbrachten einen Teil des
Nachmittags im Konferenzraum, um sich Dominics ausführlichen Bericht anzuhören.
Jack jr. und John Clark saßen nicht am Tisch, sondern als Zuhörer an der Wand.
Hendley hatte Jack als Familienangehörigen und guten Freund der Caruso-Brüder
dabeihaben wollen, aber seine Sorge war unbegründet gewesen: Dominic ertrug
seinen Schmerz gefasst. Und Clark hatte Hendley dazugebeten, weil er auf dessen
professionelles Urteil Wert legte.
Jack
beobachtete
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