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Clancy, Tom

Clancy, Tom

Titel: Clancy, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dead or Alive
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wenngleich erst seit Kurzem
und mit großem Zögern und einem gewissen Bedauern. Mitte der Neunzigerjahre
hatten zahlungskräftige islamische Fundamentalisten begonnen, an Russlands Tür
zu klopfen und zu versuchen, arbeitslose Geheimdienstbeamte,
Nuklearwissenschaftler und Soldaten von Spezialeinheiten anzuwerben. Wie so
viele seiner Landsleute hatte auch Juri die Tür geöffnet, allerdings war er bereits
alt und müde und brauchte nur noch etwas Geld für sein Landhaus am Schwarzen
Meer. Mit ein bisschen Glück sollte das heutige Treffen dieses Problem lösen.
    Juri schob
seine Tagträume beiseite und konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Er
trat vom Geländer zurück und überquerte die Brücke. Danach ging er noch zwei
Blocks die Straße hinunter bis zu einem neonbeleuchteten Restaurant, über
dessen Eingang in arabischer und kyrillischer Schrift »Tschiaka« stand. Er
überquerte die Straße und fand im blinden Punkt zwischen zwei Straßenlaternen
eine Parkbank. Er setzte sich und beobachtete das Lokal. Dann klappte er den
Kragen hoch, um sich gegen den Wind zu schützen, und steckte die Hände tief in
die Manteltaschen.
    Das Tschiaka war ein tschetschenisches Restaurant, das von einer
örtlichen muslimischen Familie betrieben wurde, die unter dem Schutz der
Obschina, der tschetschenischen Mafia, stand. Auch der Mann, mit dem er
verabredet war und den er nur unter dem Namen Nima kannte, war wahrscheinlich
mithilfe der Obschina nach Russland eingeschleust worden. Das spielt keine Rolle, beruhigte sich Juri selbst zum
wiederholten Mal. Er hatte mit dem Mann bereits zweimal zu tun gehabt. Einmal
hatte er ihn beim »Ortswechsel« eines Mannes beraten, den sie einen
»Mitarbeiter« genannt hatten. Erst kürzlich diente er als Mittelsmann bei einer
Anwerbung. Dies war eine höchst interessante Angelegenheit gewesen. Er hatte
keine Ahnung, was die Männer mit einer Frau dieses ganz bestimmten Kalibers
anfangen wollten, und es war ihm auch egal. Er hatte sich so kindische Neugier
schon vor langer Zeit abgewöhnt.
    Er
beobachtete die Umgebung noch weitere zwanzig Minuten, bis er sich sicher war,
dass hier nichts Ungewöhnliches vor sich ging. Keine ungebetenen Zeugen, ob
Polizisten oder sonst jemand, weit und breit. Er stand auf, überquerte die
Straße und betrat das hell erleuchtete Lokal. Es war spartanisch eingerichtet.
Der Boden bestand aus schwarzen und weißen Vinylfliesen. Im Raum standen nur
runde Plastiktische und Holzstühle mit ungepolsterten Lehnen. Es war
Abendessenszeit, und fast jeder Tisch war besetzt. Unter der Decke waren
Lautsprecher angebracht, aus denen der blecherne Klang der tschetschenischen
Pondur-Musik dröhnte, der dem der russischen Balalaika ähnelte.
    Juri
musterte das Innere des Restaurants sorgfältig. Einige Gäste schauten kurz auf,
als er hereinkam, kehrten jedoch fast sofort zu ihrem Essen oder ihren Gesprächen
zurück. Zwar waren Russen in tschetschenischen Lokalen kein häufiger Anblick,
sie waren jedoch auch nicht selten. Trotz ihres schlechten Rufs hatte Juri bisher
kaum Probleme mit Tschetschenen gehabt. Meist folgten sie dem Motto: »Leben und
leben lassen.« Gnade Gott jedoch den Menschen, deren Tod sie beschlossen
hatten. Nur wenige Organisationen waren so grausam wie die Obschina. Diese
Tschetschenen liebten ihre Messer und konnten gut mit ihnen umgehen.
    Ganz
hinten im Lokal erblickte er plötzlich Nima. Er saß in einer kleinen Sitzecke
direkt an der Wand neben der Küchentür und der Toilette. Juri ging zu ihm hinüber,
gab ihm beim Vorbeigehen mit dem Finger ein Zeichen, dass er noch etwas warten
sollte, und betrat die Toilette, um sich die Hände zu waschen. Natürlich waren
seine Hände völlig sauber. Er wollte nur sichergehen, dass die Toilette leer
war und es dort auch keinen zweiten Eingang gab. Diese Vorsicht und Sorgfalt mochten
vielleicht einem normalen Menschen seltsam erscheinen, hatten ihn jedoch in
der Illegalität viele Jahre am Leben erhalten. Er sah deshalb auch keinen
Grund, warum er sein Verhalten ändern sollte. Er trocknete sich die Hände und
nahm sich dann einen Moment Zeit, um nachzuprüfen, ob die Makarow-Pistole
Kaliber 9 mm sicher in ihrem Holster in seinem hinteren Hosenbund steckte.
Dann ging er hinaus und ließ sich in der Sitzecke nieder, und zwar so, dass er
das ganze Restaurant überblicken konnte. Links von ihm war die Schwingtür zur
Küche. Während Juri auf der Toilette war, hatte Nima seine Sportjacke
ausgezogen und über den

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