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Clancy, Tom

Clancy, Tom

Titel: Clancy, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dead or Alive
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Kontext bereits verloren
hatten.
    Das
Übersetzerproblem war nur eine andere Seite derselben Medaille, wie Mary Pat
glaubte. Weil sie von den Informationssammlern der CIA kam, wusste sie, dass es
in der Welt der Geheimdienste auf die menschlichen Agenten ankam, und in den
arabischen Ländern hatte es sich als sehr schwer erwiesen, Menschen zu
gewinnen. Die traurige Wahrheit war, dass die CIA im Jahrzehnt vor dem 11.
September die Rekrutierung von Agenten vernachlässigt hatte. Daten auf technischem
Weg zu sammeln - Spionagesatelliten, Abhören, Einbrüche in Datensysteme - war
einfach und machte Eindruck; es konnte auch in gewissem Maße gute Resultate
bringen, aber alte Hasen wie Mary Pat wussten schon lange, dass die meisten
Spionagekriege durch HUMINT gewonnen oder verloren wurden - human intelligence, also durch Agenten vor Ort und
ihre Führungsoffiziere.
     
    Die
Rekrutierung von Führungsoffizieren war in den letzten sieben Jahren in
unregelmäßigen Schüben zwar gewachsen, aber hier gab es immer noch viel nachzuholen,
besonders in Ländern wie Afghanistan und Pakistan, wo Religion, alte Rivalitäten
und eine lebensgefährliche Politik die Anwerbung zuverlässiger Agenten massiv
erschwerten.
    So
beeindruckend das Operationszentrum auch wirkte - selbst auf eine Veteranin
wie Mary Pat -, ihr war klar, dass der wirkliche Triumph des NCTC etwas Unsichtbares
war, das dem Uneingeweihten entging: Zusammenarbeit.
    Jahrzehntelang
hatten sich die amerikanischen Geheimdienste gegenseitig bestenfalls ignoriert
und schlimmstenfalls aktiv bekämpft, besonders die beiden Behörden, denen die
Sicherung des Landes vor Terrorangriffen anvertraut war. Aber wie die
Fernsehkommentatoren und Politiker bis zum Überdruss wiederholten, hatte der
11. September alles verändert, darunter auch die Art, wie sich die
US-Geheimdienste um die Sicherheit des Landes kümmerten. Für Mary Pat und
viele andere Geheimdienstler war der 11. September weniger eine Überraschung
als eine traurige Bestätigung dessen gewesen, was sie schon lange geahnt
hatten: Die US-Regierung hatte die terroristische Bedrohung nicht ernst genug
genommen, und zwar nicht nur in den letzten Jahren vor dem 11. September,
sondern womöglich bereits seit der sowjetischen Invasion in Afghanistan 1979.
Damals hatten die Taliban und Mudschaheddin - willkommene, aber ideologisch
nicht kompatible Verbündete - gezeigt, was entschlossene Kämpfer, auch wenn
sie nach Zahl und Ausrüstung hoffnungslos unterlegen waren, gegen eine von nur
zwei Supermächten der Erde ausrichten konnten. Für viele - darunter auch die
Foleys und Jack Ryan - war der Krieg in Afghanistan eine Art Vorschau gewesen,
und zwar auf einen Film, in dem es gegen den Westen ginge, nachdem die
Mudschaheddin mit den Sowjets fertig wären. So effektiv das Bündnis der CIA
mit den Mudschaheddin auch gewesen war, die Beziehung blieb doch immer
gespannt, stets überschattet vom Abgrund zwischen der westlichen Zivilisation
und der Scharia, zwischen dem radikalen islamischen Fundamentalismus und dem
Christentum. Die Frage, die mit dem arabischen Sprichwort »Der Feind meines
Feindes ist mein Freund« indirekt gestellt wurde, lautete: »Wann endet die
Freundschaft?« Für Mary Pat war die Antwort einfach gewesen: In dem Augenblick,
in dem der letzte sowjetische Soldat afghanischen Boden verlassen hatte. Und je
nachdem, wer die Geschichte schrieb, hatte sie entweder recht behalten oder
doch fast. Jedenfalls hatten nach 1985 die Taliban, die Mudschaheddin und
schließlich der URC des Emirs ihre verachtungsvollen und inzwischen
kampferprobten Augen auf den Westen gerichtet.
    Was passiert ist, ist passiert, dachte Mary Pat und blickte über
das Geländer der Galerie auf das Operationszentrum hinunter. Wie schlimm auch
die Tragödie gewesen war, die sie alle hierhergebracht hatte, die
US-Geheimdienste waren doch inzwischen wieder näher am Ball als jemals seit
den Anfangstagen des Kalten Kriegs, und dem NCTC gebührte der Löwenanteil des
Verdienstes daran. Weil es von Analytikern aus praktisch allen
geheimdienstlichen Einrichtungen besetzt war, die sieben Tage die Woche
vierundzwanzig Stunden am Tag Seite an Seite saßen, war Zusammenarbeit
inzwischen keine Ausnahme mehr, sondern die Regel.
    Sie ging
die Treppe hinunter und zwischen den Arbeitsplätzen hindurch, nickte dabei
Kollegen zu und erreichte das Counterterrorism Center der CIA. Drinnen
warteten zwei Männer und eine Frau auf sie: ihr Boss Ben Margolin, Leiter

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