Clara
gedanklich einfach weg. Jetzt war ich
elektrisiert. Vor Erregung genauso wie vor Angst. Es machte mich beinahe
glücklich. Sie war bereit für den letzten Akt. War ich es auch? »Lassen Sie
mich jetzt alleine .« Ja, der Sinn nach Gesellschaft
war ihr vergangen. Ich konnte das nur zu gut verstehen. Ich erhob mich und ging
zur Stahltür. Ich wusste nicht, ob sie es wirklich hören konnte. Aber ich sagte
es trotzdem. Ganz leise.
»Es tut mir
leid .« Das tat es wirklich. Wie erbärmlich diese
Entschuldigung sich auch anhörte. Wie erbärmlich auch alles war, was ich hier
unten tat.
5
Ich schloss
mit einiger Mühe die Haustür auf und wankte ins Vorzimmer, wo ich mich meiner
Schuhe entledigte. Es war ein milder Abend im Sommer. Ich hatte den Sommer
immer geliebt. Die gemeinsame Arbeit im Garten. Das gemütliche Beisammensitzen
vor dem Grill. Duftende Steaks und eine gute Flasche Rotwein. Nichts war davon
geblieben. Ich stolperte in die Küche, gab Rosi ihr Futter und setzte mich
anschließend ins Wohnzimmer. Eine Flasche ging immer noch.
Im Wirtshaus
von Alt-Mürren war von nichts anderem als von Burgers
Verschwinden die Rede gewesen. Um keinen Verdacht zu schöpfen, hatte ich mich
dort mal wieder blicken lassen. Schließlich galt ich ja nicht als sein bester
Freund. Aber mir wurde gottlob kaum Beachtung geschenkt. Seitdem ich meinen Job
verloren hatte, war ich weiter abgestiegen. Noch ein Schritt, und ich würde im
Bodensatz ertrinken. Ich hatte mich zurückgelehnt, ein Bier nach dem anderen
getrunken und zugehört. Den wildesten Spekulationen gelauscht. Mit einer
Nutte durchgebrannt. Vor seinen angeblich hohen Steuerschulden geflüchtet. Von
zwielichtigen Geschäftspartnern umgelegt . Zumindest war niemand auf die
Idee gekommen, dass er in einem Keller eingesperrt und erschossen wurde. Von
jener Frau, die er am Abend zuvor vergewaltigt hatte.
Während all
dieser Wortgemenge war nur einmal kurz mein Name gefallen. Geschuldet durch die
Tatsache, dass Burger mich am Tag seines Verschwindens aufgesucht hatte. Ja,
der Nachbarn Fenster waren stets belegt. Zu meiner Erleichterung wurde ich aber
selbst nicht damit konfrontiert. Ich war zu unbedeutend, um eine Nachfrage nach
dem Grund dieses Besuchs zu rechtfertigen. Niemand traute diesem armen, arbeitslosen,
gescheiterten Witwer eine Straftat wie Entführung oder Mord zu. Dazu bedurfte
es vordergründig Mut, Courage, Verwegenheit. Attribute, die niemand mit mir in
Verbindung brachte. Niemand in diesem kleinen, schäbigen Nest, das seinen
Zampano verloren hatte. Ich war gesichtslos. Und somit auch nebensächlich.
Aber
dennoch. Geschwätz machte immer die Runde. Über kurz oder lang würde die
Polizei sich dafür interessieren. Also galt es, geeignete Vorkehrungen zu
treffen. Ich machte einen tiefen Zug aus der Flasche. Der Alkohol machte es
leichter, ein Außenseiter zu sein. Der Alkohol machte alles leichter. Nur eines
nicht. Den Schmerz des Verlustes.
Kapitel 15 –
Terror
1
Bevor ich
den Brief ins Kuvert steckte, las ich ihn nochmals durch.
» Sehr
geehrte Frau Bergmann!
Es freut
mich, Ihnen mitteilen zu können, dass Ihre Tochter Clara sich weiterhin bester
Gesundheit erfreut. Als Beweis für diese Behauptung habe ich eine DVD
beigefügt, die zeigt, mit welcher Aufmerksamkeit ich Ihre Tochter umhege.
Leider musste ich bei einigen Sequenzen mein Gesicht retuschieren, da ich aus
verständlichen Gründen nicht erkannt werden möchte. Aber keine Angst. Anders
als bei Ihrem leider so früh verstorbenen Ehemann handelt es sich dieses Mal um
keine gestellten Aufnahmen. Alles ist echt. Clara-Live ,
wenn Sie so wollen. Um sicherzugehen, dass es bei diesen kleinen
Annäherungsversuchen, wie sie im Film dokumentiert werden, auch bleibt und es
nicht zu unerfreulicheren Zwischenfällen kommt, ersuche ich Sie, mir einen
kleinen Dienst zu erweisen. Wie Ihnen eventuell bekannt sein dürfte, verfügt
die Bergmann AG über ein recht stattliches Verwaltungsgebäude im Stadtzentrum.
Um die weitere Unversehrtheit Ihrer Tochter zu gewährleisten, brauchen Sie sich
nur auf das Dach dieses Gebäudes zu begeben und sich von selbigem zu stürzen.
Ich weiß natürlich, dass die Landung nicht sehr sanft ausfallen wird. Aber was
ist das schon für ein vergleichsweise verschwindend geringer Einsatz für eine
liebende Mutter. Ich bin sicher, dass Sie das Richtige für das Wohl Ihrer
Tochter tun werden. Ach übrigens. Sollten Sie die Polizei mit dieser kleinen
Mitteilung
Weitere Kostenlose Bücher