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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koller
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Gesicht lief. Ich zog
sie ruckartig an mich heran, umklammerte sie fest und riss ihr schließlich die
Beine unter dem Boden weg. Wir fielen auf den dicken Teppich. Ich drückte sie
jetzt noch stärker. Noch härter. Es widerte mich an, ihr derartig Gewalt
anzutun. Aber es ging nun einmal nicht anders.
    »Hören Sie
jetzt auf ?« , fragte ich sie vorsichtig. Sie fauchte
weiter. Schimpfte. Versuchte, sich mit aller Macht zu befreien. Doch es half
nichts. Mein Griff blieb eisern. Langsam merkte ich, wie ihre Kräfte schwanden.
    »Darf ich
Sie jetzt loslassen ?« Widerwillig nickte sie mit dem
Kopf. Sie würde keine Dummheiten mehr machen. Ich löste die Umklammerung und
stand auf. Sie sprang sofort von mir weg. Mit hasserfüllten Augen starrte sie
mich an.
    »Was sind
Sie für ein Teufel? Wie kommen Sie hier herein? Sie müssten doch tot sein ?« Ich nahm wieder Platz und bat sie, sich ebenfalls zu
setzen. Doch sie machte keinerlei Anstalten. Mit verschränkten Händen stand sie
vor mir. Außer Atem. Wütend. Ratlos. Abgekämpft. Zerrüttet. Ich wusste genau,
was sie dachte. Sie dachte an ihr Dilemma. An die Ausweglosigkeit. Und an das
Foto.
    »Nachdem Sie
Burger abserviert haben, habe ich das nächste Geschoss im Magazin durch eine
Platzpatrone ersetzt. Sie sieht genauso aus wie eine echte. Nur der
Geschosskopf ist blau. Wenn Sie weiter mit der Waffe trainiert hätten, wäre
Ihnen das sofort aufgefallen. Aber Sie sahen keine Veranlassung mehr dafür. Ja,
der Tod kann zur Routine werden. Genauso wie die Handhabung seiner Werkzeuge.«
Clara starrte mich weiter an. Sie wollte offenbar die ganze Geschichte hören.
    »Ich habe
den Zellenschlüssel natürlich absichtlich hervorstehen lassen. Ich wusste, dass
Sie so weit waren, mich zu töten. Ich trug einen kleinen Plastikbeutel mit
Schweineblut unterm Hemd. Den habe ich im richtigen Moment mit einer kleinen
Nadel in meiner Hand zerstochen. Der Rest war einfach. Ich musste nur noch zu
Boden sinken und mich tot stellen. Dazu habe ich schon vorher ein starkes
Beruhigungsmittel geschluckt .« Claras Gesichtsausdruck
änderte sich. Ihre Lippen verformten sich zu einem angewiderten Grinsen.
    »Und dann
haben Sie darauf gewartet, dass ich mich selbst erschieße. Das hat Sie sicher
aufgegeilt. Sie abartiges Schwein. Nur schade, dass es nicht geklappt hat, oder ?« Ich ignorierte die Aggressivität in Claras Stimme.
    »Ich habe
nicht gewollt, dass Sie sich erschießen. Nicht in diesem Verlies. Darum war der
Schlüssel auch stets in Ihrer Reichweite. Sie hätten nur die Augen aufmachen
und einmal in Ihrem Leben eine selbständige Entscheidung fällen müssen. Das
wäre alles gewesen. Sie hatten es selbst in der Hand. Von Anfang an. So, wie
ich es Ihnen gesagt habe. Nur haben Sie nicht darauf geachtet. Wie Sie nie auf
etwas achten, was für Sie unbedeutend erscheint. Auch noch, als Sie die
Freiheit schon vor Augen hatten. Nur mehr diese Hütte verlassen mussten . Eine Wasserflasche!«
    Clara
verdrehte die Augen. Sie hatte offenbar genug von meiner Schulmeisterei. Sie
kam auf das Foto zu sprechen. Es zeigte Thomas gefesselt und geknebelt auf
nacktem Boden liegend. Vor einer ebenso nackten Wand. Nur ein kleiner, gelber
Strich war noch zu erkennen. Sonst nur Thomas in Jeans, T-Shirt und
Turnschuhen.
    »Was haben
Sie mit ihm gemacht? Wo ist er jetzt ?« Ich antwortete
ihr beinahe gleichgültig.
    »Er ist in
einem abgeschlossenen Kellerraum. Ohne Wasser und Nahrung. Und ohne Aussicht,
selbständig von dort zu entkommen.« Wieder diese Anwiderung in ihrem Gesicht.
Ich schnitt ihre nächste Frage ab. »Bevor wir zum großen ›Warum‹ kommen,
sollten Sie sich das einmal ansehen .« Ich nahm einen
Umschlag aus dem Koffer und legte ihn auf den Tisch. Jerry war verschwunden.
    »Was ist das ?« , wollte sie wissen. Ich lächelte leise. Mit einem
Taschentuch wischte ich mir, so gut es ging, das Blut vom Gesicht.
    »Eine ganz widerwärtige
Geschichte.« Zögernd nahm sie das Kuvert an sich. Riss es auf. Ein USB-Stick und eine DVD kamen zum Vorschein. Sie sah mich
fragend an. »Nun setzen Sie sich doch endlich !« Sie
gehorchte und ließ sich in einem gemütlich aussehenden Ohrensessel nieder. Ich
nahm meinen Laptop heraus. »Sie können sich alles am Notebook anschauen. Oder
ich gebe Ihnen eine kleine Inhaltsangabe. Das würde die Sache ziemlich abkürzen .« Clara entschied sich für die schnelle Version. »Ich
erzähle Ihnen nun eine kleine Geschichte .« Ich spürte,
wie es Clara sichtlich

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