Clara
und begab sich zum Schminktisch. Wenn schon ihre
Seele nicht glänzte, sollte es wenigstens ihr Aussehen tun. Sie nahm ihren
knallroten Lippenstift und bemalte ihren sinnlichen Mund. Sie war schöner denn
je. Und sie wusste es. Ihre Hässlichkeit verbarg sich woanders. Jenseits dieser
Fassade aus Schminke, Schmuck und Haute Couture.
6
Bach lag in
Claras rotem Mercedes auf dem Fußboden vor der Rückbank. Er hatte eine leichte,
schwarze Decke über sich gezogen. Es war kein Kunststück gewesen, hier
hineinzugelangen. Das Hotel hatte einen Parkservice, der die Wägen der Gäste
vor dem Haupteingang übernahm und in einem geschützten Bereich abstellte. Eine
kurze Klettertour genügte, um dorthin zu gelangen und in einen der Wagen zu
steigen, die nicht einmal abgeschlossen wurden. Seit zwei Stunden harrte er
hier bereits aus. Sein Rücken schmerzte. Doch was war das schon im Vergleich zu
der Belohnung, die in Kürze ins Haus stand? Sie würde bald kommen. Da war er
sicher. Nur einen Moment lang hatte er befürchtet, sie würde womöglich mit dem
Taxi hier erscheinen. Aber das wäre einer Bergmann
nicht würdig gewesen. Einer Clara Bergmann. Nein, bei so einem Anlass galt es,
seinen Rang zu zeigen. Schließlich ging es um die Firma. Da konnte die höchste
Repräsentantin doch nicht mit der Mietkutsche anrauschen.
Er lächelte
leise in sich hinein. Ja, sie hatte wahrlich an Sympathien verloren. Das große
Liebkind der Medien. Schon bald würde die Polizei sich für diese Affäre ganz
besonders interessieren. Zumindest, wenn ihr ziemlich unappetitliche Fakten
zugespielt wurden. Nun, darüber musste geredet werden. Sobald Clara nach Hause
zurückkehrte. Bach veränderte seine Position etwas und drehte sich leicht zur
Seite. Sein Kopf war jetzt der Rückfront des Fahrersitzes zugewandt. Er vernahm
Schritte, die direkt auf ihn zuführten. Endlich. Er begann, ganz leise zu
atmen. Dann zog er die Decke über sein Gesicht. Die Tür wurde geöffnet, und
jemand stieg ein. Vermutlich der gleiche junge Mann, der schon zuvor eingeparkt
hatte. Der mit seiner Pagenuniform ebenso lächerlich
wie deplatziert gewirkt hatte. Aber was tat man nicht alles, um zu überleben,
das Sein weiterfristen zu können? Der Wagen fuhr an. Schnurrte katzengleich
dahin. Bachs Autos waren stets alt und schrottreif gewesen. Dieses hier
hingegen klang wie eine beruhigende, ganz leise gestellte Melodie aus der
Stereoanlage. Wie die Ouvertüre zu einem Stück, das bald seinen Höhepunkt
erreichen würde. Das Fahrzeug hielt im Leerlauf, und der Junge stieg aus.
»Ihr Wagen,
meine Dame«, sagte er demütig. Dann ein leises, fast beleidigt gemurmeltes Danke . Sie stieg ein, trat mit ihren hohen Absätzen
die Kupplung, legte den ersten Gang ein und fuhr davon. Nach einer ganzen Weile
hielt sie an und betätigte den Knopf zur Fernbedienung. Sie waren vor dem Tor.
Die Reporter waren allem Anschein nach verschwunden. Sie hatten endlich genug
Bilder, wie sie hier ein und aus fuhr. Irgendwann reichte es sogar dem Hartgesottensten . Der Wagen setzte sich wieder in Bewegung
und blieb schließlich endgültig stehen. Direkt vor der Villa. Der Hausmeister
würde ihn morgen früh wegstellen müssen.
Nachdem sie
ausgestiegen war, blieb Bach noch eine Weile liegen. Er musste jetzt nichts
mehr überstürzen. Eine Kleinigkeit ging in seinem Kopf umher. Während der
ganzen Fahrt hatte sie schwer geatmet. Selbst das zwischenzeitlich angemachte
Radio hatte das nicht übertönen können. Sie war unglücklich. Verzweifelt. Im
Kampf mit sich selbst. Einsam. Und ihre riesige Klause hier machte alles nur
schlimmer. Sie war gefangen. Im Reichtum. In ihrer Prominenz. In all den
Konventionen, die sie nicht ablegen konnte. Gefangen in der Welt, die sie sich
geschaffen hatte. Und nun nicht verlassen konnte. Auch nicht im Eindruck
dessen, was geschehen war. Bis in alle Ewigkeit. Oder nur bis zum Morgengrauen.
Kapitel 20 –
Auferstehung
1
Bach stieg
die schwach beleuchteten, steinernen Stufen hinauf. Die Villa war im
klassizistischen Stil erbaut. Dorische Säulen zierten die gesamte Vorderfront.
Es war ihm,
als schritt er in einen altgriechischen Tempel. Nur dass hier keine Götter
verehrt wurden. Nur Götzen der Luxusgesellschaft. Er drückte die Klinke zum
Portal nieder. Die schwere, reich verzierte Tür aus Kirschholz öffnete sich.
Wie er gedacht hatte. Die Bergmanns vertrauten auf die Technik, die ihre
Grundstücksgrenzen sicherte. Wozu also noch das
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