Clara
in Claras
Leben wiederfand . In tiefster Verzweiflung. Mit einem
prall gefüllten Vorratsschrank und einem kleinen Brief, auf dem nichts weiter
drauf stand als » Halten Sie durch ! « . Bach schlief endlich ein. Doch auch die Träume
ließen ihn nicht los. Hielten ihn weiter gefangen. In dieser Welt aus Rache und
Terror, die er ersonnen hatte. Aus Hass vor allem, womit er sich nicht
identifizieren konnte. Und aus Angst vor dem Urteil, was noch über ihn
gesprochen würde. Aus Angst davor, womöglich einen Menschen geopfert zu haben.
Einen, der es nicht verdient hatte.
4
Bach verließ
das Reisebüro mit seinem schwarzen Aktenkoffer in der Hand. Bargeld, ein paar
Fotos, sein Reisepass, ein Flugticket, ein Schlüsselbund, der schmale Laptop,
zwei große Kuverts und eine geladene Pistole befanden sich darin. Er bummelte
durch die Wiener Innenstadt. Zur Mittagszeit war es etwas erträglicher. Die
Menschenmassen waren zum Essen. Er würde auch zum Essen gehen. Aber erst, wenn
alle anderen damit fertig waren. Alles, was er noch besaß, trug er bei sich.
Der Lieferwagen war an einen Schrotthändler verkauft, der sich auch um die
Formalitäten gekümmert hatte. Er reiste von nun an sozusagen mit leichtem
Gepäck. Bach schritt über die alten Plätze, vorbei an den Prachtbauten der
Monarchie.
Was mochten
das für Zeiten gewesen sein, dachte er bei sich? Nicht ganz ohne
Sentimentalität. Er war im Tiefsten seiner Seele Sozialist, aber auch ein stiller
Bewunderer der Kaiserzeit. Obwohl er genau wusste, dass all die Eleganz mit
Blut, Leid und Unterdrückung erkauft wurde. Er setzte sich auf eine der
öffentlichen Sitzbänke, legte sein Jackett ab und beobachtete das Treiben
ringsherum. Fiaker mit zahlungskräftiger Kundschaft fuhren vorbei. Junge
Liebespärchen, eilige Geschäftsmänner, staunende Touristen. Wien hatte ein
besonderes Flair. Wenngleich er niemals hier leben wollte. Es nur für den
Augenblick genoss. Ein Mann warf einen brennenden Zigarettenstummel knapp vor
ihn auf den Boden. Alles verbrannte irgendwann einmal. Wurde zu Asche. Er stand
auf und ging weiter seines Weges. Der Abend war noch weit weg. Also würde er
sich eine kleine Freude gönnen. Ein lukullisches Mahl und danach ein
Violinkonzert in der Nachmittagsvorstellung. Es galt, seinen Geist zu schärfen.
5
Clara hatte
Maria weggeschickt. Sie konnte sich alleine ankleiden. Es graute ihr vor diesem
Abend. Aber es half nichts. Sie musste dort hingehen. Das jährliche
Sommerbankett der Bergmann AG im ehrwürdigen Festsaal des Continental-Hotels
stand an. Und da durfte die letzte Repräsentantin der Firma natürlich nicht
fehlen. In ähnlichen Worten hatte der Prokurist es bei ihrem letzten
Firmenbesuch formuliert. Letztes Jahr war sie noch mit Vater und Mutter dort
gewesen. Hatte gelangweilt den Reden und Quartalsberichten gelauscht. Und sich
Gedanken über ihr Kleid und ihr Make-up gemacht. Und über Thomas, der gutmütig
neben ihr gesessen hatte. Kurz vor ihrer ersten Trennung. Das war ein Jahr her.
Thomas! Er war nicht da.
Die Polizei
hatte ihr über sein Verschwinden einige Fragen gestellt. Seine Sekretärin hatte
ihn vermisst gemeldet, als er nach einer Woche noch immer nicht im Büro
erschien und auch sonst nirgendwo erreichbar war. Warum hatte sie das nicht
getan? Ja, warum? Die Polizisten waren nicht gerade höflich mit ihr umgegangen.
Sie hatte nicht glaubwürdig gewirkt. Wie schon bei der ersten Vernehmung nach
ihrer Entführung. Sie geriet zunehmend ins Zwielicht. Was hätte sie sagen
sollen? Dass ein gewisser Bach dabei war, sie zu erpressen? Dass sie gemeinsam
mit Thomas aus der Stadt hatte flüchten wollen? Und er beim vereinbarten
Treffpunkt nicht aufgetaucht war? Dass er einen Privatdetektiv einschalten
wollte? Nichts ergab mehr einen Sinn. Nicht für sie und schon gar nicht für die
Polizei, die wesentliche Fakten gar nicht kannte. Und Clara hatte nicht vor,
sie bekannt zu geben. Nicht gegenüber diesen unflätigen Beamten, die
mittlerweile eine klare Verbindung zwischen den Ereignissen sahen.
Wenn Bach
hinter Thomas’ Verschwinden steckte, würden sie ihn nicht finden. Schließlich
hatten sie ja auch Clara während ihrer Gefangenschaft nicht gefunden. Damit
rechtfertigte sie ihr Vorgehen. Im Innersten wusste sie aber ganz genau, wie
niederträchtig ihr Handeln war. Wie feige. Wie selbstsüchtig. Hauptsache, sie
kam davon. Aber bloß wie lange? Clara streifte ihr kleines Schwarzes über,
schlüpfte in passende Pumps
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