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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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galt als ein Zeichen wahrer Liebe … Das war tatsächlich eine Sammlung von Madamas Verehrern! Lizzie Rose warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass sie allein war. Dann zählte sie, wobei ihre Fingerspitze auf der Glasscheibe kleine Tupfer hinterließ. Achtundvierzig Miniaturen, achtundvierzig Haarlocken. »Das ist aber überhaupt nicht schicklich«, murmelte sie und lachte unwillkürlich auf. Es schien unvorstellbar, dass es irgendwo in der Welt achtundvierzig Männer gab oder gegeben hatte, die sich in die vulgäre, hässliche und widerwärtige Mrs Sagredo verliebt hatten.
    Ihr Lächeln erstarb, als sie sich abwandte. Sie schämte sich ein bisschen, dass sie gelacht hatte. Ihr kam der Gedanke, dass die Männer auf den Miniaturen sich für Cassandra Sagredo in nichts von den Schmetterlingen in den gläsernen Schaukästen unterschieden: Sie waren Ausstellungsstücke, keine Menschen. Die alte Frau konnte keinen von ihnen geliebt haben, sonst hätte sie sie nicht alle zusammen in ein und dieselbe Vitrine gesteckt. Worauf es ihr ankam, war die Zahl, die Vielfalt und der Umstand, dass ihr alle eine Locke überlassen hatten. Lizzie Rose schnitt eine Grimasse und verließ das Zimmer in Richtung Bibliothek.
    Dort warteten weitere Sammlungen auf sie: alte Kameen, antike Münzen und eine Vitrine voller Dolche mit scharfen Klingen und Griffen aus Jade. Außerdem gab es zwei hölzerne Globen – einer zeigte den Himmel, der andere die Erde –, die so groß waren, dass Parsefall im Schneidersitz darin Platz gefunden hätte. Die Bücherschränke waren vollgestopft mit ledergebundenen Bänden. Ein Buchrücken erregte ihre Aufmerksamkeit und ihre Miene erhellte sich. Keine fünf Minuten später hatte sie einige Bücher ausgewählt. Als sie die Bibliothek schon verlassen wollte, fiel ihr Blick auf ein kleines Porträt in einem Elfenbeinrahmen.
    Es schien nicht recht zu den anderen Gemälden zu passen, die schön, aber düster waren: dunkle Seelandschaften und triste Stillleben mit silbernen Kelchen und halbgeschälten Zitronen. Das kleine Porträt hingegen wirkte im Vergleich nicht nur trivial, sondern heiter. Ein junges Mädchen mit einem Welpen im Arm blickte dem Betrachter entgegen. Ihr Haar fiel ihr in Locken auf die Schultern und um ihre geöffneten, kindlich roten Lippen spielte ein Lächeln.
    Lizzie Rose ertappte sich dabei, wie sie zurücklächelte. Sie reckte sich auf die Zehenspitzen und nahm den Rahmen von der Wand. Mit dem Ärmel wischte sie den Staub von dem Bild und las die Inschrift auf der Rückseite: Von Marguerite. Zur Erinnerung .
     
    Parsefall schloss leise die Flügel von Madamas Schlafzimmertür hinter sich. Er wusste, dass Lizzie Rose unten beschäftigt war und das Hauspersonal beim Mittagessen saß. Er hatte den Morgen damit verbracht, in Madamas Burg Wertgegenstände zusammenzutragen, die er in einen Kopfkissenbezug stopfte. Jetzt stand er, den Kissenbezug in der einen und einen Klumpen roten Wachses in der anderen Hand, mit dem Rücken an der Tür.
    Im Turmzimmer hatte er einen Vorrat an roten Kerzen entdeckt. Er hatte eine angezündet und das geschmolzene Wachs geknetet und zu einer Kugel geformt, solange es noch warm war. Er plante, Madamas Medaillon zu öffnen, den Edelstein herauszunehmen und durch die Wachskugel zu ersetzen. Durch das Goldgeflecht müsste sie dem roten Stein ähneln. Er glaubte nicht, dass die alte Frau sich lange täuschen ließe, doch die Attrappe würde ihm hoffentlich ausreichend Zeit verschaffen, um von Strachan’s Ghyll zu fliehen. Parsefall warf einen prüfenden Blick auf sein Opfer. Die alte Frau schlief tief und fest. Ihr Mund stand ein bisschen offen und Speichel tropfte auf das Kopfkissen. Der schlafende Körper wirkte gewaltig und ähnelte einer Sau. Parsefall redete sich ein, dass er keine Angst habe, doch das stimmte nicht. Die Vorstellung, den Feueropal zu stehlen, bereitete ihm ein unbehagliches Gefühl. Die Tat kam ihm sowohl gefährlich als auch seltsam vertraut vor, so als hätte er davon bereits geträumt.
    Er setzte den Kissenbezug auf dem Boden ab, ganz behutsam, damit die Gegenstände darin nicht klirrten und Madama weckten. Dann schlich er zu ihrem Bett. Er nahm die Wachskugel zwischen die Lippen, weil er beide Hände brauchen würde, um das Medaillon zu öffnen.
    Parsefall schoss das Adrenalin in die Adern und er war froh darüber: Diese Anspannung würde dafür sorgen, dass er eine ruhige Hand bewahrte und schnell reagierte. Er

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