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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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seiner rechten Hand glitzerte Parsefalls Blut. »Doch wenn es das ist, was du willst, dann trennen sich unsere Wege. Bring mir den Feueropal und du bist mich los.«
    Parsefall blieb angespannt bis in den letzten Muskel. »Soll ich jetzt los und den Stein holen?«
    Nein!, schrie Clara lautlos.
    Gleichzeitig antwortete Grisini: »Nein. Piu tardi, später. Tagsüber ist es besser als nachts. Ich habe die Diener ausgefragt. Sie sagen, Madama schläft am Tag. Das Beste wird sein, dass du dich in ihr Zimmer schleichst, wenn sie schläft. Deine geschickten Finger erledigen den Rest. Und kein Wort darüber zu Lizzie Rose. Kein Wort! Oder es wird ihr schlimm ergehen. Ihr und dir, capisci? «
    »Ja, verstanden.«
    »Wenn du mich enttäuschst, bin ich gezwungen, dir wehzutun. Du weißt, dass mir nichts lieber wäre als das.«
    Parsefall erwiderte nichts. Ein Zittern lief durch seinen Körper.
    Grisini nickte zufrieden. » Va bene, gut . Sobald du den Stein hast, bringst du ihn mir. Du findest mich im Torhaus. Du weißt, wo das ist? Geh durch die Haustür nach draußen und folge dem Weg, der vom Haus wegführt. Bring mir den Stein und an dem Tag hast du mich zum letzten Mal gesehen. Bis dahin werde ich dir allerdings keine Ruhe lassen, um dich an deine Pflicht zu erinnern. Ansonsten sagst du dir vielleicht: › Ah, mein alter Meister! Er hat mich vergessen! ‹ Aber noch während du das aussprichst, stehe ich schon neben dir!« Grisini riss die Augen weit auf, um nachzuahmen, wie überrascht Parsefall dann wäre. »Ich kann ins Haus, wann immer es mir beliebt. Ich kann zu jeder Tages- und Nachtzeit in dein Zimmer kommen –«
    Grisini wurde von einem durchdringenden, hellen Glockenschlag unterbrochen. Er griff in die Tasche und holte seine Uhr mit dem Spielwerk hervor. Seine Finger, noch feucht von Parsefalls Blut, streichelten den Rand des Zifferblatts. Er lauschte, bis der zwölfte Schlag verklungen war. » Mezzanotte . Mitternacht. Und wie passend, sì? Der Wolf schnappt nach dem Schwan, aber der Vogel kann nicht davonfliegen. Sie sind untrennbar. Wenn du mir entkommen willst, figliolo, musst du mir den Stein bringen.«
    »Das werd ich.«
    Grisini verlagerte sein Gewicht wieder auf alle viere, fand bedächtig das Gleichgewicht und richtete sich auf. Steifbeinig durchquerte er das Zimmer und verschwand auf dem Korridor.
     
    Parsefall erhob sich. Er konnte nicht aufhören, zu zittern. Er starrte auf die Tür, durch die Grisini verschwunden war, in panischer Angst, sie könnte sich wieder öffnen. Kaum dass er atmete. Wenn er nur Grisinis Schritte hören würde, wie er die große Treppe hinunterging! Aber das Mauerwerk war zu dick oder der Teppich zu weich … oder Grisini wartete draußen vor der Tür, um jeden Augenblick wieder hereinzukommen! Parsefall schauderte. Er betastete sein zerfetztes Ohrläppchen. Noch immer tropfte das Blut und er steckte die Finger in den Mund, um sie abzulecken. Warme Tränen stahlen sich seine Wangen hinunter und sammelten sich im Kragen seines Nachthemds.
    Eine ganze Weile bewegte er sich nicht. Dann schlich er lautlos zur Tür, wobei er bei jedem Schritt wippend verharrte. Er dachte sehnsüchtig an die beengten Räume bei Mrs Pinchbeck, wo ihn nur der Paillettenvorhang von Lizzie Rose getrennt hatte. Lizzie Rose hatte immer versucht, ihn zu trösten, wenn er sich ängstigte. Wie aufgebracht sie wäre, wenn sie das ganze Blut an seinem Ohr sehen würde! Mit einem Mal verspürte er den inbrünstigen Wunsch, sie zu sehen, umso mehr, als er nicht zu ihr gehen konnte. Selbst wenn er mutig genug gewesen wäre, sich auf den Korridor hinauszuwagen, hätte er es nicht riskiert, sich ihr anzuvertrauen. Nur mit seinem Schweigen konnte er sie vor Grisini schützen.
    Er strich mit den Fingern über die Platte um den Türknauf und ertastete ein Schlüsselloch, aber es steckte kein Schlüssel darin. Er konnte Grisini nicht ausschließen. Absperren hätte sowieso nichts genutzt, denn sein Meister war ein Experte, wenn es um das Knacken von Schlössern ging. Was Parsefall brauchte, war ein sicheres Versteck, ein Raum, der sich von innen verriegeln ließ …
    Ich kenne einen Raum mit einem Riegel an der Tür!
    Der Satz hallte in seinem Kopf wider, so klar und deutlich wie der Glockenklang von Grisinis Uhr. Parsefall schüttelte den Kopf, als hätte sich eine Biene in sein Ohr verirrt. Er schaute sich suchend im Zimmer um, entschied sich für einen Stuhl und trug ihn auf Zehenspitzen zur Tür, wo er ihn unter

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