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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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schüttelte die Hände aus, um seine Finger zu lockern, und ging ein letztes Mal seinen Plan durch. Das Medaillon öffnen; den Feueropal herausnehmen; durch die Wachskugel ersetzen; das Medaillon wieder schließen; auf Zehenspitzen das Zimmer verlassen; durch den Park zu Grisini flitzen. Der schlimmste Teil war, dass er Grisini noch einmal treffen musste, aber danach würde alles einfacher werden. Er würde Lizzie Rose beichten müssen, dass er wieder gestohlen hatte. Das würde ihr nicht gefallen, aber sie würde wissen, was als Nächstes zu tun war. Sie konnte herausfinden, wann die Züge fuhren, und sie würden sich so schnell wie möglich aus dem Staub machen.
    Er kauerte sich neben das Bett, sodass er mit der Oberkante der Matratze auf Augenhöhe war. Das Medaillon ruhte auf der Bettdecke, nahe der Achsel der alten Frau. Er konnte den Edelstein durch das goldene Drahtgeflecht sehen. Er war so rot wie Erdbeersaft. Die Farbwirbel darin bildeten schäumende Blasen wie köchelnder Sirup. Seine Finger zuckten. Er wollte den Opal berühren, selbst wenn er sich daran verbrannte. Er wollte ihn zwischen den Fingern rollen, sein blitzendes, zuckendes Farbenspiel betrachten.
     
    »Trau dich, sei kühn, aber nicht tollkühn,
    sonst gefriert dir das Blut
    und du kannst nicht mehr flieh’n!«
     
     
    Der Vers summte in seinem Kopf. Seine Fingerspitzen hielten das Goldgeflecht wie eine Zange und mit dem Daumennagel fand er den winzigen Verschluss, dessen Feder sich zurückschieben ließ wie geölt.
    Cassandra Sagredo schreckte aus dem Schlaf. Sie schlug wild um sich und Parsefall machte einen Satz rückwärts, um ihren Händen auszuweichen. Er spuckte die Wachskugel aus und sah, wie sie unter das Bett rollte. Die alte Frau stieß ein zischendes Geräusch aus, nein, es klang weniger wie das einer Schlange, sondern eher wie das Fauchen einer riesigen Katze. Ihr Mund war ein rotes, dunkles Loch und ihr Atem stank, als wäre sie bereits tot. »Was willst du?«, kreischte sie. »Warum bist du hier? Verschwinde! Raus!«

35. Kapitel

     
    Der Flaschengeist
     
    C assandra konnte nicht klar sehen. Jemand schrie und es dauerte einige Sekunden, bis sie begriff, dass sie selbst es war. Ihre Kehle kratzte vom Schreien. Das Zimmer kippte und sie fürchtete, in Ohnmacht zu fallen. Sie umschloss den Feueropal mit beiden Händen, bereit, ihn mit ihrem Leben zu verteidigen. Da war ein Junge im Zimmer. Ihn hatte sie angeschrien. Er war klein, sein Gesicht aschfahl, die Kleidung verwaschen, das Haar ungekämmt – er hätte harmloser nicht aussehen können. Mit einer hastigen Augenbewegung schaute er zur Tür und schon wollte er darauf zustürzen. Cassandra durchbohrte ihn mit einem Blick. »Warum bist du in meinem Zimmer? Was willst du?«
    »Nix«, sagte er.
    Ihr stockte der Atem: Schlagartig wusste sie, was er in ihrem Zimmer wollte und warum sie geschrien hatte. Er war hier, um den Feueropal zu stehlen.
    Und sie hatte ihn daran gehindert.
    Am liebsten hätte sie den Kopf in den Nacken gelegt und vor Enttäuschung laut aufgeheult, Verwünschungen ausgespien, ihre Krallen ausgefahren und mit den Fäusten auf die Bettdecke getrommelt. Doch sie hielt ihre Wut zurück in der unbändigen Hoffnung, dass die Chance noch nicht vertan war. Der Junge war bereit gewesen, sie zu bestehlen, vielleicht würde er einen weiteren Versuch unternehmen.
    »Ich habe dich erschreckt.« Cassandra bemühte sich, ihre Stimme weniger barsch klingen zu lassen und eine gebrechliche alte Frau zu mimen. »Ich hatte einen Albtraum. Es tut mir so leid.«
    Der Junge glaubte ihr kein Wort.
    Sie öffnete den Mund, um ihn mit seinem Namen anzureden, doch er war ihr entfallen. Derartige Aussetzer hatte sie in letzter Zeit immer häufiger und es trieb sie in den Wahnsinn. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass der Anfangsbuchstabe ein P war und es sich um einen ausgefallenen Namen handelte, zu erhaben für diese kleine Ratte. Peverel? Phineas? Sie gab auf. »Wie heißt du? Ich habe deinen Namen vergessen.«
    »Parsefall.«
    »Es tut mir leid, dass ich dir Angst eingejagt habe, Parsefall. Ich bin aus dem Schlaf geschreckt.« Sie bemühte sich um einen klaren Kopf. Vielleicht könnte sie dem Jungen weismachen, dass sie gar nicht bemerkt hatte, dass er gerade versucht hatte, sie zu bestehlen. Es wäre das Beste, wenn er sie für eine bemitleidenswerte alte Frau hielt, die zu einfältig war, um ihm zu misstrauen, und zu schwach, um sich zu wehren. »Bist du hergekommen, um ein

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