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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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dem ich sie am meisten hasste. Das war an ihrem Geburtstag – unserem Geburtstag, denn das war das Kuriose: Marguerite und ich waren am selben Tag geboren, nur dass sie ein Jahr jünger war als ich. Als ich dreizehn wurde und Marguerite zwölf, bat Monsieur Tremblay die Nonnen um die Erlaubnis, ein Fest für seine Tochter ausrichten zu dürfen. Der 6. November fiel in diesem Jahr in die Karnevalszeit und …«
    Lizzie Roses Kopf fuhr hoch. »Der 6. November!«, wiederholte sie. »Das ist doch auch Claras Geburtstag!«
    Cassandra Sagredo zuckte zusammen, als hätte ihr jemand ein Glas Wasser ins Gesicht geschüttet. Lizzie Rose begriff, dass sich die alte Frau in einem verletzlichen Zustand befand. Sie war irgendwo zwischen Gegenwart und Vergangenheit gestrandet.
    »Verzeihung.« Lizzie Rose legte eine Hand auf die Steppdecke. »Ich hätte Sie nicht unterbrechen dürfen. Aber ich kannte da einmal ein Mädchen, das auch am 6. November Geburtstag hatte.«
    Cassandra fragte nicht nach, wer Clara denn sei. »Am 6. November?«, sagte sie ungläubig. »Am 6. November. Bist du sicher?«
    Lizzie Rose nickte. »Es tut mir leid, dass ich Sie unterbrochen habe, Madama. Das kommt nicht wieder vor.«
    Cassandra rollte sich zur Seite und zog an der Kordel für die Bettvorhänge. »Dazu wirst du auch keine Gelegenheit haben. Ich habe zu lange geredet und zu viel erzählt. Sei ein gutes Kind und geh jetzt. Fettle kümmert sich um mich. Nimm deine kleinen Schätze mit und lass mich schlafen.«
    Widerstrebend griff Lizzie Rose nach den Büchern und der Muschel. Sie wollte nicht gehen. Sie wollte den Rest der Geschichte hören. Aber Madama duldete keinen Widerspruch. Sie hielt ihr die Miniatur hin. »Hier, nimm auch das Bild. Du willst es haben – ich nicht.«
    Lizzie Rose rief Ruby mit einem Fingerschnippen. Auf dem Weg zur Tür stellte sie das kleine Porträt auf Madamas Frisiertisch.

38. Kapitel

     
    Der vorgelegte Riegel
     
    E s war Heiligabend. Unter dem Tisch im Turmzimmer lag Clara neben Parsefall und lauschte auf die Kirchenglocken in der Ferne, die zur Mitternachtsmesse riefen. Parsefall murmelte und zuckte im Schlaf. Clara fragte sich, ob er wohl von Grisini träumte. Grisini ist nicht hier , beruhigte Clara ihn. Er kann nicht hereinkommen. Der Riegel an der Tür ist vorgelegt .
    Sie glaubte nicht, dass Parsefall sie hörte. Doch nach einer Weile seufzte er tief und seine unruhigen Bewegungen hörten auf. Claras Wachsamkeit ließ nach. Sie fühlte sich schläfrig. Die Kirchenglocken waren verstummt, und das Schlafzelt, das Parsefall im Turmzimmer gebaut hatte, war dunkel und stickig. Er hatte eine Steppdecke über Madamas Tisch geworfen, die auf allen Seiten bis zum Boden fiel, sodass nur ein schmaler Schlitz zur Belüftung blieb. Unter dem Tisch lagen acht Wolldecken, unzählige Kissen, ein satinbezogenes Daunenbett und das Bärenfell.
    Clara! Clara Wintermute!
    Cassandras Stimme zerriss die Stille. Die Dunkelheit unter dem Tisch geriet wogend in Bewegung, wurde zu einer Wolke, durchzogen von leuchtenden Farben, von aufreizendem Scharlachrot, dunklem Gold, tiefem Kobaltblau und Giftgrün …
    Clara Wintermute! Komm zu mir! Jetzt!
    Clara spürte, wie sie wuchs. Sie rollte sich auf den Bauch und kroch auf allen vieren nach draußen, vorsichtig, um sich nicht den Kopf an der Unterseite des Tisches anzuschlagen. Außerhalb des Schlafzelts konnte man auch nicht viel mehr erkennen. Das spärliche Licht, das sich durch die Flügelfenster stahl, war matt. Ein kleiner Mond hing am Nachthimmel. Clara schaute prüfend in die Spiegel. Sie hoffte, etwas Weißes darin aufblitzen zu sehen, eine Spiegelung ihres Kleids, irgendein Zeichen dafür, dass sie tatsächlich hier war.
    Sie sah nichts. Auch diesmal bewegte sie sich gar nicht wirklich. Sie war nicht real. Die Vorstellung, dass sie unter dem Tisch hervorkrabbeln konnte, war reine Einbildung und ein wesentlicher Teil von Cassandras Zauber.
    Clara! Ich muss mit dir reden!
    Clara hielt inne, die Hand schon auf dem Türknauf. Warum?
    Die Antwort der Hexe kam prompt und sie klang zornig und seltsam wirr. Es ist dein Schicksal, Clara … ich habe etwas über dich erfahren … Clara erhaschte die Worte Phönixstein , Schicksal und Geburtstag . Den Rest konnte sie nicht entschlüsseln. Die Hexe schien zu ungeduldig, um ihre Befehle in Worte zu fassen.
    Sie ist verändert, bemerkte Clara. Als Cassandra sie das erste Mal gerufen hatte, war jedes Wort klar und stark gewesen. Sie ist

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