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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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hat … nein, der bewiesen hat, dass Cholera von schmutzigem Wasser kommt. Die Brunnenkresse muss an einem unsauberen Fluss gewachsen sein. Aber ich habe ja nichts davon gegessen. Charles Augustus hat meine Portion gehabt.«
    Cassandra wartete, um sicherzugehen, dass Clara fertig erzählt hatte, dann brach sie ganz bewusst in schallendes Gelächter aus. Sie gackerte, bis das Bett wackelte und ihr Lachen von den Wänden widerhallte.
    Clara sprang auf. Sie machte ein Gesicht, als wollte sie davonlaufen. Doch sie konnte sich nicht dazu durchringen, stattdessen presste sie die Finger vor den Mund.
    »Das ist alles?«, fragte Cassandra. »Das ist das Geheimnis, das du all die Jahre in deinem Herzen mit dir herumgetragen hast? Dass du eine Portion Maronenpudding haben wolltest? Gott schütze dich, du armes, unschuldiges Dummchen. Jeder will seine Portion Maronenpudding haben …«
    »Sie verstehen nicht«, stieß Clara verzweifelt hervor. »Er hat die Brunnenkresse an meiner Stelle gegessen … ich habe ihn getötet!«
    »Die Cholera hat ihn getötet«, widersprach Cassandra scharf. »Du dummes, dummes Ding! Jemanden zu töten ist ein Entschluss, weißt du das denn nicht? Du hast nie entschieden, deinen Bruder zu vergiften. Du hast dich für Maronenpudding statt für Brunnenkresse entschieden. Apropos: Hast du seine Portion gegessen, als der Nachtisch kam? Hast du ihm seinen Nachtisch weggenommen, du unartiges Mädchen?«
    »Nein!«, entgegnete Clara entrüstet. Ihre Wangen verfärbten sich leicht. Gegen diese Anschuldigung konnte sie sich verteidigen.
    »Und ebenso wenig hast du ihm das Leben genommen«, sagte Cassandra und winkte Clara mit einer matten Handbewegung zu sich. »Mein liebes, dummes Kind, du musst diese bedrückenden Schuldgefühle ablegen. Du hast niemanden getötet. Du hast überlebt. Hättest du von der Brunnenkresse gegessen, hätten deine Eltern statt vier Kindern fünf verloren … Hast du je darüber nachgedacht? Ich sage dir, lass es ruhen. Und jetzt musst du tanzen. Ich liege auf meinem Totenbett und ich befehle es dir.« Cassandra drehte Lizzie Rose das Gesicht zu. »Spiel auf deiner Geige, Mädchen. Ich will sie tanzen sehen.«
    Lizzie Rose schaute unsicher drein. Parsefall hingegen nickte zustimmend und so setzte sie den Bogen an und klemmte die Geige wieder unter das Kinn. Clara öffnete den Mund, um zu protestieren. Cassandra verspürte eine entsetzliche Müdigkeit. Sie war völlig ausgelaugt nach dem Lachen, das sie ihrem Körper abgerungen hatte. Sie stieß ein letztes Wort hervor: »Tanze!«, und Clara erhob sich auf halbe Spitze, um zu beginnen.
     
    Es war albern, in einem Wollkleid und mit Kaschmirstrümpfen zu tanzen. Clara wusste, dass sie dazu verdammt war, sich zum Narren zu machen. Sie erinnerte sich an die Ballettschritte – hunderte Male hatte sie sie geübt –, aber sie konnte nicht tanzen, nicht wirklich. Madama würde sie auslachen und Parsefall auch. Sogar Lizzie Rose würde lachen, obwohl sie versuchen würde, es sich zu verkneifen.
    Die Stimme der Geige war zum Dahinschmelzen süß. Clara führte ihre Hände vor dem Körper zusammen, indem sie die Handgelenke kreuzte. Sie verlagerte das Gewicht auf das rechte Bein und schwang ihren linken Fuß nach vorne. Die Zehen spannte sie so fest an, dass es schmerzte. Sie bog den Oberkörper nach hinten und verfolgte die Bewegung ihrer Hand mit den Augen – ihrer Hand, die sich ohne Faden bewegte. Sie gehörte ihr und sie tat das, was sie, Clara, wollte. Und es war ganz allein ihre Entscheidung, ob sie tanzte oder nicht.
    Und Clara entschied sich, zu tanzen. Als Puppe war es nicht so schwierig gewesen. Jetzt arbeitete die Schwerkraft gegen sie und ihre Muskeln waren angespannt. Aber sie tanzte selbst und wurde nicht zum Tanzen gebracht, und bei diesem Gedanken schwebte sie nicht nur einen, sondern gleich drei Schritte vorwärts. Als Puppe war sie auf den Radius von Parsefalls Arm beschränkt gewesen. Jetzt konnte sie durch den ganzen Raum springen und wirbeln.
    Sie beschleunigte ihre Schritte und versuchte sich an einer Cabriole, indem sie sich ins Gedächtnis rief, wie es sich anfühlte, in die Luft zu schnellen. Niemand lachte, also machte sie einen weiteren Versuch, mit weit ausgebreiteten Armen, als wollte sie das Zimmer umfassen. Sie glitt über den Boden, wiegte sich, machte Sprünge und drehte Pirouetten, bis sie außer Atem war.
    Den Tanz wollte Clara mit einer Arabesque beenden. Sie konzentrierte sich, um ihren

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