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Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition)

Titel: Clara und die Magie des Puppenmeisters (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Amy Schlitz
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Sorgen! Aber Gott sei Dank sind Sie Arzt. Also, wenn Sie bitte mitkommen und sie untersuchen würden …«
    Dr. Wintermutes Miene veränderte sich und zu dem Ausdruck von Glück trat eine wachsame Entschlossenheit hinzu. »Selbstverständlich kümmere ich mich um Madama«, versprach er, und da er sich nicht so schnell schon wieder von seiner Tochter trennen konnte, nahm er Clara bei der Hand, und sie folgten Lizzie Rose die Treppe hinauf.

51. Kapitel

     
    Die letzte Ölung
     
    D a war dieses Ding an der Decke. Während ihrer letzten Tage spürte Cassandra es über ihr brüten – das Ding, das da oben schwebte und wartete. Sehen konnte sie es nicht, weil der Baldachin des Betts ihr den Blick versperrte. Wenn sie bei klarem Verstand war, beruhigte sie sich, dass da gar nichts war. Das Gefühl wurde sie dennoch nicht los. Mit geschlossenen Augen spürte sie seine Anwesenheit besonders deutlich, und sie hörte das Rauschen der Luft zwischen seinen Flügeln. Einmal träumte sie, dass sie zur Decke zu ihm hinaufschwebte und von dort aus auf ihren aufgedunsenen Körper hinabblickte. Dann trudelte sie wieder hinunter auf das Bett und in diesen Körper.
    Etwas im Haus hatte sich verändert. Die Räume waren auf einmal erfüllt von einem Gefühl der Barmherzigkeit. Die Dienstboten, die sich um sie kümmerten, waren Fremde, die sie nicht kannten und deshalb auch keinen Groll gegen sie hegten. Sie behandelten sie, als würde sie Mitgefühl und Respekt verdienen. Da war außerdem ein neuer Doktor, ein Achtung gebietender Mann mit tiefer Stimme und geschickten Händen. Er sprach freundlich zu ihr und seine Arzneien linderten ihre Schmerzen. In lichten Augenblicken erfasste sie, dass der Doktor Claras Vater war. Wenn das Fieber zurückkehrte, wurde der Mann zu einem Kobold, einem Betrüger. Dann schrie Cassandra ihn an, verlangte zu wissen, woher er komme und warum er sie nicht heile.
    Er konnte sie nicht heilen. Selbst während Cassandra sich noch an das Leben klammerte, war ihr das bewusst. Ihr Körper ließ sie im Stich. In Abständen kehrten ihre alten Albträume zurück und verhöhnten sie. Dann kauerte sie in einem Ring von Flammen: scharlachrot, gelb, grün und blau. Sie schrie und schlug in Panik um sich, bis der Doktor zu ihr kam, sie festhielt und ihr unsinnige Worte zuraunte, als wäre sie ein krankes Kind.
    Ließ das Fieber nach, war ihr Verstand messerscharf. Hellwach empfing sie den Anwalt und diktierte ihm ihren letzten Willen: Elizabeth Rose Fawr und Parsefall Hooke sollten Strachan’s Ghyll erben. Clara würde das Torhaus erhalten sowie sämtliche Juwelen, die Parsefall übersehen hatte. Cassandra beauftragte den Anwalt auch, Grisinis Beerdigung auf dem privaten Friedhof der Burg zu veranlassen. Grisini mochte ein Ungeheuer gewesen sein, doch sie wollte ihm nicht die letzte Ruhe in einem Grab verwehren.
    Es kam die Nacht, in der das Fieber seinen Höhepunkt erreichte und die Schmerzen zur Höllenqual wurden. Ein Priester erschien an Cassandras Bett. Sie sah, dass ein weißes Tuch über den Nachttisch gebreitet worden war und darauf ein Kruzifix und Kerzen standen. » Asperges me, Domine, hyssopo, et mundabor; lavabis me et super nivem dealbabor. «
    Ihr Vater hatte ihr Latein beigebracht, als sie klein war, aber jetzt verstand sie die Worte des Psalms nicht mehr. Sie hatte den Glauben ihrer Kindheit zum größten Teil vergessen, doch nicht alles: Als sie begriff, dass der Priester gekommen war, um ihr die Sterbesakramente zu spenden, begann sie, die Beichte abzulegen.
    Anschließend wusste sie nicht mehr, was sie erzählt hatte. Ihre Sünden waren zu zahlreich, um sie aufzählen zu können, und während sie noch von einer berichtete, fiel ihr schon die nächste ein. Oft unterbrach sie sich, um zu erklären, dass die Versuchung über ihre Kräfte gegangen sei, dass ihre Taten nicht allein ihre Schuld seien. Sie erzählte, wie sie Marguerite den Feueropal gestohlen hatte, und schluchzte aus Schmerz über die verlorene Freundin. Sie versuchte, sich an alle Zauber zu erinnern, die sie je ausgeführt hatte, doch der Priester schüttelte fassungslos den Kopf, und sie wusste, dass er ihr nicht glaubte. Sie konnte nicht sagen, ob es echte Reue war, was sie empfand, oder lediglich Bedauern. Trotzdem fuhr sie fort, zu beichten, bis ihre Stimme versagte. Während sie in den Schlaf sank, spürte sie das tröstliche Gefühl des heiligen Öls auf ihren Augenlidern. Jetzt kommt der Todesengel von der Decke herunter und

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