Clara
beschäftigt.«
Die beiden Bootsbauer hatten am Freitag mit Ralf Poorten zusammen gearbeitet wie immer. Sie waren ziemlich in Zeitdruck gewesen und hatten sogar die Mittagspause ausfallen lassen, um pünktlich Feierabend machen zu können.
»Was soll mir denn an Poorten aufgefallen sein?« brummte Franz Roeloffs. »Gesagt hat der schon immer wenig. Der war wie sonst auch.«
»Mann, Mann!« Küsters wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab. »Dem Jung soll einer was angetan haben. Ich kann das nicht glauben. War so ein guter Kerl.«
Sie erfuhren, daß Ralf im dritten Lehrjahr gewesen war, daß er alle Aussichten gehabt hatte, eine hervorragende Prüfung abzulegen, und daß man sich bereits entschieden hatte, ihn hinterher in den Betrieb zu übernehmen.
»Hier ist nichts zu holen«, meinte Toppe, als sie wieder beim Auto waren.
»Abwarten«, entgegnete van Appeldorn. Toppe sah verwundert hoch. »Was hast du denn? Und überhaupt, wieso warst du eigentlich so unfreundlich?«
»Weiß nicht, ich hab einfach so ein blödes Gefühl.« Dann wurde er von einem Hustenanfall gebeutelt, der gar nicht aufhören wollte. Schweißüberströmt ließ er sich auf den Sitz fallen.
»Mir reicht’s«, sagte Toppe energisch. »Ich fahre dich jetzt zum Arzt.«
»Brauch keinen Arzt«, wehrte sich van Appeldorn zähneklappernd.
»Hm, das sehe ich. Du hast Schüttelfrost.«
Währenddessen machte Astrid das Beste aus ihrem freien Tag. In den letzten Wochen waren so viele Überstunden angefallen, daß sie drei ganze Tage hätte freinehmen können, aber das ging natürlich nicht, wenn sie mitten in einem neuen Fall steckten. Eigentlich hatte sie sich aufs Ausschlafen gefreut, aber Christian mußte heute erst zur dritten Stunde in der Schule sein und hatte offenbar beschlossen, seine Morgentoilette in aller Ruhe vorzunehmen. Das bedeutete, er ließ mindestens zwanzig Minuten die Dusche pladdern, und dabei drehte er das Radio in der Küche so laut, daß er es im Bad hören konnte. Vermutlich wußte er gar nicht, daß außer ihm noch jemand im Haus war, aber ganz sicher war Astrid sich da nicht.
Nachdem Christian endlich wieder nach oben gepoltert war, hatte sie sich in ihre alte Trainingshose und eins von Helmuts Sweatshirts gemummelt, sich eine Kanne Kaffee gekocht und saß jetzt am großen Tisch in der Küche und blätterte in Kochbüchern.
Sie hatten sich entschieden, keine große Einweihungsparty zu machen, sondern statt dessen für ihre nächsten Freunde ein Essen zu kochen, ganz nobel, mindestens fünf Gänge. Seitdem sie sich die Kocherei teilten, hatten sie alle Spaß dran bekommen, und jeder hatte bei sich besondere Talente entdeckt. Wenn sie sich zusammentaten, konnte ein erstklassiges Menü dabei herauskommen. Tische und Stühle würden sie leihen und eine lange Tafel in der Halle aufbauen, gleich unter dem Kronleuchter. Zwanzig Leute hatten da bestimmt Platz. Vorspeise, Suppe, der Fischgang waren kein Problem, was aber als Hauptgericht? Sie strich Filet Wellington wieder durch, zu prosaisch.
Auf der Küchenbank lag aufgeschlagen die Tageszeitung: Spyck’sche Wasserleiche identifiziert … aus Griethausen … Oben schüttelte Christian seine Gesundheitslatschen von den Füßen und ließ sie auf die Dielen poltern. Eine seiner netten Angewohnheiten, sehr wirkungsvoll, wenn man Holzdecken hatte …. aus Griethausen. Grieth, der Griether Jugendkreis, da fuhr doch Christian neuerdings auch immer hin. Dann mußte er doch eigentlich Ralf Poorten kennen!
Astrid schnappte sich die Zeitung und lief nach oben. Anstandshalber klopfte sie an, wartete aber nicht auf eine Antwort. Christian lag bäuchlings mit einem Buch auf dem Bett und drehte sich ärgerlich zu ihr um. »Was machst du denn hier?«
»Ich habe heute frei. Hier, guck mal!« Sie legte ihm die Zeitung aufs Bett.
»Ja und? ’ne Zeitung. Was soll ich damit?«
»Lies doch mal. Das da.«
Er las, verzog dabei keine Miene.
Ihr Blick fiel auf die hölzerne Betbank unter dem Fenster und die Konsole mit Bibel, Gebetbuch und einer schnörkeligen, dicken Kerze. Das Kreuz an der Wand darüber war das gleiche, das auch in Ralf Poortens Zimmer hing.
Früher hatte man eine Machete gebraucht, wenn man in Christians Zimmer von der Tür zum Fenster wollte. Jetzt war alles so penibel aufgeräumt und rechtwinklig ausgerichtet, daß es schon ungemütlich war. Lausig kalt war’s außerdem. Astrid legte die Hand auf den Heizkörper – nur lau – vielleicht mußte man den mal
Weitere Kostenlose Bücher