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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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eigene Stimme nicht erkannte.
    »Oh, sie schläft schon lange«, sagte die Mutter leise und nahm ihm endlich den Zettel aus der Hand. »Aber ich werde ihr morgen erzählen, daß du hier warst. Da freut sie sich bestimmt. Von wem soll ich sie grüßen?«
    »Von Christian.« Jetzt gehorchte ihm seine Stimme wieder. »Sie weiß dann schon, Christian Toppe.«
    Sie blieben beide unschlüssig stehen und fingen dann gleichzeitig zu reden an. Die Frau lachte, sie war richtig nett.
    »Vielleicht kann ich morgen ja mal anrufen«, meinte Christian und ging schon die Stufen hinunter.
    »Je nachdem, wie es ihr morgen geht«, sagte die Mutter. »Komm gut nach Hause, Christian. Gute Nacht.«
    »Gute Nacht«, antwortete er in das Türschließen hinein.
    Der Spitz hatte sich inzwischen beruhigt, er knurrte nur leise, als Christian den Hof überquerte. Oben im Turm war Claras Zimmer. Sie hatte ihm ein paarmal von dem großartigen Ausblick erzählt über den Rhein und die Ebene, von den Hochwassern, vom Deich, auf den sie hinabsah, und daß sie sich oft sorgte, ob er hielt, ob er hoch genug war. Im Turmfenster brannte Licht, schwach nur, durch Gardinen gedämpft.
    Von hier aus kam man direkt auf den Deich, zum kleinen Kreuz. Er wollte beten für Clara – und für sich selbst.

10
    »Wir nehmen meinen Wagen«, sagte Toppe entschieden, obwohl er sich normalerweise gern vorm Autofahren drückte und auch nicht die leiseste Ahnung hatte, wie man nach Niedermörmter, geschweige denn zu dieser Werft kam. Aber Norbert van Appeldorn wirkte nicht eben fahrtüchtig; eigentlich sah er aus, als könne er kaum auf den Beinen stehen.
    Toppe schloß die Beifahrertür auf und schimpfte: »Wieso bist du überhaupt gekommen? Du hast doch Fieber.«
    »Blödsinn«, knurrte van Appeldorn und hustete. Toppe knallte die Tür zu.
    Es fror immer noch Stein und Bein, und heute lag dazu noch feiner Morgennebel über der Ebene, aber van Appeldorn lotste sie sicher durch den halben Kreis Kleve.
    Seine knappen Richtungsangaben waren allerdings das einzige, was er von sich gab, ansonsten brütete er vor sich hin und rieb sich die rotgeränderten Augen.
    Am Ortsende von Niedermörmter bogen sie links in eine schmale Straße zur Reeser Schanz ein, die Toppe nicht einmal mit einer Landkarte gefunden hätte. Sie passierten die letzten Häuser und kamen über den Deich. Die Straße führte zu einer befestigten Rampe, die im Wasser auslief, der ›Schanz‹. Gleich daneben stand auf einer hohen Warft ein altes Gasthaus. Linker Hand lag der Sporthafen.
    Toppe stutzte. Diese runtergekommene Bude sollte die bekannte Roeloffs-Werft sein? Es war ein großes, zweigeschossiges Gebäude aus brüchigem Backstein, ein alter Bauernhof. Dort wo früher mal der Wohnbereich gewesen war, waren die meisten Fensterscheiben zerbrochen, die anderen blind vor Dreck. Aber als sie in den Zuweg einbogen, sah er den prächtigen Neubau aus Stahl und weißem Putz mit seinen blitzblanken Schaufenstern. Daneben eine brandneue Werkshalle, von der eine Rampe mit eingelassenen Metallschienen zum Yachthafen führte, die Slipanlage, über die man die Boote zu Wasser ließ. Am Ufer reckte sich ein sicher vier Meter hohes Metallgerüst mit einem Kran. Dicke, breite Lederriemen hingen an einem Geländer. Ein Stück weiter neben einem Festmacher zwei Tanksäulen mit endlos langen Einfüllschläuchen. An einem festen Steg, der sich lang ins Wasser zog, lagen still ein paar Boote. Wassersportverein Xanten e.V. stand auf einem Schild.
    Toppe manövrierte den Wagen auf den schmalen Grasstreifen, der sich am alten Gebäude entlangzog.
    Hinter der Werkshalle standen mehrere aufgepallte Segelboote, mit ihren Kielen fünf, sechs Meter hoch, die Rümpfe teilweise rostig, teils abgeschliffen, alte ziemlich gammelige Motorboote lagen schief in der Gegend rum.
    Dazwischen jede Menge Krempel: rostige Anker und Trossen, ausgemergeltes Tauwerk, Schiffsschrauben, ein paar Trailer.
    »So sieht also eine Nobelwerft aus«, mokierte sich Toppe.
    »Hier schlachten die offensichtlich bloß alte Boote aus«, antwortete van Appeldorn.
    Toppe wunderte sich. »Kennst du dich etwa im Bootsbau aus?«
    »Nö.« Van Appeldorn stieg vorsichtig über einen Haufen Tampen. Das zweiflügelige Tor war geschlossen und ließ sich von außen nicht öffnen. Drinnen dröhnten Maschinen. Er bollerte mit der Faust gegen das Tor, aber offenbar hörte ihn keiner.
    »Versuchen wir es mal da drüben.« Toppe zeigte auf das weiße Gebäude. Über dem

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