Clara
ihr hin.
Marianne Albers betrachtete das Bild zärtlich. »Ja, viele Menschen haben ein Foto von Clara. Sie wissen sicher, daß sie mit einer besonderen Gabe gesegnet ist.«
»Wir haben davon gehört«, bestätigte Astrid unbehaglich. »Schauen Sie, Frau Albers, Ralf Poorten ist schwer mißhandelt und getötet worden. Wir versuchen herauszufinden, wer dem Jungen das angetan hat. Wir müssen wissen, mit wem er zu tun hatte. Und deshalb müssen wir mit jedem sprechen, der ihn gekannt hat. Und Ihre Tochter hat ihn gekannt. Können wir sie nicht wenigstens kurz sehen?«
Frau Albers fing an zu weinen. »Sehen können Sie sie, aber das wird Ihnen nicht helfen.«
»Was hat sie denn?« Astrid bemühte sich, ihre Ungeduld zu verbergen.
»Es ist eine Virusinfektion, sagt der Arzt. Aber sie ist gar nicht bei sich. Sie ißt nichts, trinkt nichts. Wenn man sie zwingt, erbricht sie alles wieder. Und sie hat hohes Fieber.« Sie schluchzte auf. »Jeden Tag habe ich dem Herrn gedankt, daß er uns ein Kind wie Clara beschert hat, aber jetzt bitte ich ihn auf Knien, daß er sie uns nicht wieder nimmt.«
»Mama!« schallte es aus der oberen Etage. »Bringst du die Suppe. Ich will es noch mal versuchen.«
Frau Albers sprang auf. »Meine Schwiegertochter. Die ist gerade oben, um das Kind zu waschen. Einen Augenblick.« Sie lief zum Küchenschrank, nahm die Thermoskanne, den Teller und den Löffel, die dort bereitstanden, und ging schnell hinaus.
»Was hast du denn?« wunderte sich Astrid, als Toppe den Wagen nicht aufschloß, sondern mit dem Schlüssel in der Hand stehen blieb und sich nachdenklich umschaute.
»Ach, nichts. Ich dachte nur gerade, es ist ganz schön eng hier.«
»Ja, natürlich«, meinte sie stirnrunzelnd. »Ist eben ein Dorf.«
18
Heinrichs spielte ihnen die Nachricht auf dem Anrufbeantworter vor: »W … wie? Ähem … Mich laust der Affe! – Klack«, und freute sich: »Daß ich einmal erleben darf, wie Norbert die Fassung verliert! Allein deswegen hat sich die Anschaffung schon gelohnt.«
»Warum hast du eigentlich so scheußlich gute Laune?« meinte Toppe gereizt.
»Hab ich allen Grund zu«, gab Heinrichs gelassen zurück. »Die Sache mit den Booten sieht nämlich gar nicht so übel aus.« Er ging zu seiner Rheinkarte. »Es kommen viel weniger Boote in Frage, als wir befürchtet hatten. Guckt mal hier, der Grietherorter Altrhein, zum Beispiel, und auch die Kiesbaggerei davor sind seit Wochen dick zugefroren. Da kommt kein Boot raus. Die anderen Seitengewässer, Reeser Ward und so, müssen wir uns in den nächsten Tagen noch anschauen, aber eigentlich kann es da auch nicht viel anders aussehen.«
»Du meinst also, es kommt nur ein Boot in Frage, das direkt am Rhein liegt«, stellte Toppe fest. »Und wie viele sind das?«
»Weiß ich noch nicht. Wir haben doch gerade erst angefangen.« Heinrichs drückte ihm einen Stapel Fotos in die Hand. »Hat Ackermann heute gemacht, von jedem Motorboot das rechtsrheinisch zwischen Kilometer 845 und 847 liegt. Den Abschnitt hätten wir schon mal.«
»Fotos?« wunderte sich Astrid.
»Ja, geht doch viel fixer, als wenn wir alles notieren müssen, Bootstyp, Nummer, Liegeplatz.«
So würden sie weiter vorgehen, über Duisburg die Eigner feststellen und jeden einzelnen auf eine mögliche Verbindung zu Ralf Poorten abklopfen.
»Und wenn uns jemand verdächtig vorkommt, dann soll van Gemmern dessen Boot unter die Lupe nehmen.«
Astrid seufzte aus tiefstem Herzen. »Haben wir jemals so einen bescheuerten Fall gehabt? Ich meine, wir wissen ziemlich genau, was passiert ist. Wir wissen auch ungefähr, wo es passiert ist. Aber kann mir einer sagen, warum es passiert ist?«
Toppe nickte. »Ich sehe auch weit und breit kein Motiv, und das ist ein ziemlich dämliches Gefühl.«
»Wat denn für ’n dämliches Gefühl, Chef? Hängen Se neben de Preise?« In der Tür stand Ackermann. »Ich dacht ei’ntlich, hier wär Jubel, Trubel, Heiterkeit inne Bude, wo wer endlich vorankommen.«
Toppe sah ihn müde an. »Ist ja auch ganz prima. Macht ihr ruhig mit den Booten weiter.«
»Und wir machen in Grieth weiter«, meinte Astrid resolut. »Grieth ist die einzige Ortschaft am fraglichen Flußabschnitt, und Grieth scheint auch der einzige Ort zu sein, in dem Poorten private Kontakte gehabt hat. Ich würde gern wissen, wen der außer den Jugendlichen noch so gekannt hat. Wir könnten zum Beispiel mal mit deren Eltern reden. Wer weiß, vielleicht hat Poorten ja ein Mädchen
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