Clara
das Besteck ab.
»Bestimmt nicht, um dich zu ärgern. Wir tun unsere Arbeit, wie immer. Nur leider bist du diesmal aus Versehen in den Dunstkreis geraten. Ralf Poorten war nun mal oft genug in Grieth und bei Barbara. Sag mal, kanntest du ihn wirklich so wenig?«
»Wirklich. Er war kein übler Typ, bestimmt nicht, aber mir war er einfach zu langweilig. Seid ihr denn weitergekommen?«
Sie seufzte und setzte sich neben ihn. »Nicht viel, glaube ich. Erzähl mir was von Clara.«
Christian stutzte, betrachtete den Bissen auf seiner Gabel. »Was soll ich dir denn von Clara erzählen?«
»Ich weiß nicht genau, euer Kaplan hat uns heute ihre Geschichte erzählt, und ich kann irgendwie nichts damit anfangen. Es kam mir vor wie so eine verklärte Legende. Heilende Hände und so was.«
Er hatte endlich wieder Farbe gekriegt und sah sie an, friedlich. »Ach so. Das mußt du mehr symbolisch sehen. Weißt du, ich erlebe Clara ja immer wieder im Altenheim. Du kannst dir nicht vorstellen, wieviel Freude sie verbreiten kann. Wir hatten schon alte Menschen, die überhaupt keine Lust mehr hatten, die einfach sterben wollten. Du glaubst gar nicht, wie oft so was passiert. Aber dann war Clara da und hat ihnen so viel Mut gegeben, daß sie auf einmal gar nicht mehr genug kriegen konnten vom Leben.«
»Und wie macht sie das? Redet sie mit ihnen, legt sie ihnen die Hand auf, betet sie?«
Er sah an ihr vorbei und lächelte tief. »Sie redet, sie singt, sie lacht, sie faßt sie an, und sie betet mit ihnen, ja. Aber eigentlich … ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll. Es geschieht einfach durch ihre Kraft, durch ihre unglaubliche Zuversicht, durch ihren Glauben.«
»Also keine Wunderheilungen, wie ich sie mir vorgestellt hatte?«
»Doch, natürlich, irgendwie schon. Verstehst du das nicht?«
»Nicht so ganz.«
Er schaute skeptisch, sah aber dann wohl, daß es ihr ernst war.
»Claras Kraft überträgt sich auf die anderen Menschen. Und diese Kraft kann natürlich auch Krankheiten heilen. Du weißt doch, wie viele Krankheiten ihren Ursprung in der Seele haben. Und Clara kann deine Seele berühren. Wirklich, Astrid, sie erfüllt einen mit … Glück.«
Astrid strich über seine Hand, ganz kurz nur. »Mir ist ihre Ausstrahlung schon auf den Fotos aufgefallen. Ich würde sie wirklich gern kennenlernen.«
»Ja«, sagte er. »Clara ist unglaublich.«
Und du bist verliebt, dachte sie, hütete sich aber, was zu sagen. Verliebt und ganz schön verblendet.
Ackermann riß die Tür auf und platzte mit seinem unnachahmlichen Flüstern in ihre Morgenbesprechung. »Sie kommt, sie kommt. Achtung!« Schon war er wieder weg.
Und dann stand sie in der Tür. »Wenn ich sehr störe, sagen Sie es ruhig. Dann verschwinde ich sofort wieder. Eigentlich habe ich hier ja noch gar nichts zu suchen. Mein Name ist Charlotte Meinhard. Ich bin.«
»… die neue Chefin«, vollendete Heinrichs den Satz und glotzte sie an.
Eine anmutige Frau mit großen, braunen Augen im hellen Gesicht. Ihr dunkelrotes Haar fiel ihr von einem Wirbel über der linken Braue glatt nach hinten bis auf die Schultern. Sie hatte genau die richtige Größe für den engen, knöchellangen Rock und den schmalen Pullover.
Toppe reichte ihr die Hand. »Bitte nehmen Sie Platz. Darf ich Ihnen meine Mitarbeiter vorstellen?«
Sie lächelte über seine jungenhafte Förmlichkeit. »Wie ich höre, sind Sie und Ihr K 1 das Aushängeschild, was die Aufklärungsrate angeht. Ich sollte Sie also pfleglich behandeln.«
Es stellte sich heraus, daß sie schon eine ganze Menge »gehört« hatte. »Und Sie sind also das unmoralische Paar; dabei sehen Sie mir gar nicht nach lasterhaftem Lotterleben aus.« Sie lachte über Toppes betretenes Gesicht. »Es wird nicht leicht sein, mich an den ganzen Tratsch und die Geheimniskrämerei hinter vorgehaltener Hand zu gewöhnen. Ich hatte gedacht, Köln wäre da schon schlimm, aber das war harmlos, verglichen mit hier. Jetzt schauen Sie doch nicht so unglücklich, Herr Toppe. Ich bin gerade mal zwei Wochen in Kleve und selbst schon Opfer geworden. Meine Freundin und ich haben gemeinsam ein Haus gekauft, in einer ganz reizenden Nachbarschaft. Aber wie sich jetzt zeigt, ging es bei der freundlichen Hilfe beim Einzug wohl einzig und allein darum, festzustellen, ob wir ein Doppelbett haben.«
Astrid lachte und stand auf. »Möchten Sie auch einen Kaffee?«
»Gern.«
»Wir haben leider nur Becher.«
»Sehe ich so nach Porzellan aus? Nein, ein Becher ist
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