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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Freitag.«
    »Und ich soll heute noch wissen, was da war? Erinnern kann ich mich an nichts. Aber ich will Ihnen mal was sagen: Bei uns im Dorf gibt es keine Schlägereien. Hier wohnen noch anständige Leute.«
    »Ihnen ist also nichts Ungewöhnliches aufgefallen?«
    »Ganz bestimmt nicht. Ich höre sowieso nicht mehr so gut.«
    Den Eindruck hatte sie bisher nicht gehabt.
    »Und wenn ich abends Fernsehen guck, dann hab ich meine Kopfhörer auf. Da höre ich noch nicht mal die Türklingel.«
    »Vielleicht erinnern Sie sich ja an das Motorrad. Ralf Poorten war oft mit seinem Motorrad hier in Grieth. Eigentlich müßte er immer bei Ihnen am Haus vorbeigekommen sein. Haben Sie es womöglich irgendwo stehen sehen?«
    »Als wenn ich auf jedes Motorrad achte!« Schmitz winkte weit ausholend ab. »Gehen Sie mir bloß weg mit den stinkenden Karren. Ist schlimm genug, daß wir jedes Jahr dieses Motorradtreffen hier haben.«
    »Wohnt außer Ihnen noch jemand im Haus?« fragte Astrid und klappte ihren Block zu.
    »Nein, bloß ich. Meine Frau ist letztes Jahr gestorben, und meine Tochter wohnt in der Stadt.«

    Toppe mußte sich erst ausgiebig durch den Türspion beäugen lassen, etwas, was er verabscheute. Jedesmal verkrampfte er sich völlig in seinem Bemühen, besonders vertrauenerweckend auszusehen.
    Die Frau mit dem Baby auf dem Arm war nicht mehr ganz jung und so gepflegt, daß es steril war.
    »Frau Klinger?«
    »Ja.«
    Er sagte seinen Spruch auf.
    »Mein Mann ist auf der Arbeit«, meinte sie steif.
    Toppe runzelte die Stirn. »Ich würde auch gern mit Ihnen reden.«
    Zögernd öffnete sie die Tür ein Stück weiter und hob das Kind auf die andere Hüfte. Der kleine Junge steckte die Finger in den Mund und kaute darauf herum. Er hatte abstehende Ohren und einen platten Hinterkopf. Die Mutter zog ihm heftig die Hand aus dem Mund und hielt sie fest.
    »Augenblick«, sagte sie, ließ Toppe vor der Tür stehen und verschwand im Haus. Er hörte, wie Rolladen hochgezogen wurden.
    »So, bitte«, kam sie dann wieder in den Flur zurück.
    Im Wohnzimmer, in das sie ihn bat, war es behaglich wie in einem Schaufenster. Nirgends ein Stäubchen, kein Deckchen, das nicht bretthart gestärkt war, selbst die vier gleich großen Topfpflanzen waren mit Blattgrün besprüht. Die cremeweißen Übertöpfe hatten einen Goldrand.
    Das Kind saß in einem leeren Laufstall, sein brauner Strampelanzug harmonierte mit dem Muster der Unterlage. Es sah zu Toppe hoch und stopfte sich beide Händchen in den Mund. Wieder ging die Mutter hin und hielt die Hände fest. »Nein, nein«, wisperte sie, »nein, nein!«
    Sie bot Toppe keinen Platz an und hatte offenbar in ihrem ganzen Leben noch nie etwas gehört oder gesehen. »Wir schlafen nach hinten raus«, sagte sie und sah ihn nicht an. »Ich gehe sehr früh zu Bett. Kevin schläft noch nicht durch.«
    »Und Ihr Mann, könnte der eventuell etwas beobachtet haben?«
    Sie beugte sich über den Laufstall und nahm das Kind heraus. »Mein Mann geht spätestens um neun Uhr ins Bett. Er arbeitet in Duisburg und muß um halb fünf aufstehen.«

    Das nächste Haus, vor dem Astrid stand, fiel, wenn man etwas genauer hinschaute, ein wenig aus dem Rahmen: Da hingen keine Gardinen an den Fenstern, statt dessen waren sie zugewuchert von prächtigen Grünpflanzen. Die Haustür war lila lackiert, und es gab kein Namensschild aus dem Töpferkurs, sondern eine fein eingefaßte Platte aus mattem Stahl: Ursula Günther.
    Die Frau, die ihr die Tür öffnete, hatte einen verschossenen Morgenrock an, grün mit Rosenmuster, Wollsocken an den Füßen und ein Handtuch um den Hals gewickelt. Sie roch nach Eukalyptus und Kamille. Ihr dickes, graues Haar war rundherum auf eine Länge geschnitten, aber sonst hatte sie nichts Verschrobenes an sich.
    »Ich habe eine fürchterliche Grippe und wollte mir gerade ein Dampfbad machen.« Das gerollte »r« war beeindruckend.
    Astrid entschuldigte sich und wollte gern ein andermal wiederkommen.
    »Dummes Zeug! Wenn Sie mich schon von meinem Krankenlager holen, dann trinken Sie jetzt auch einen Tee mit mir. Ich hoffe, Sie mögen Kräutertee.«
    »Den mag ich besonders«, lachte Astrid und folgte der Frau in den Wohnraum.
    »Setzen Sie sich schon mal. Und ziehen Sie, um Himmels willen, Ihren Mantel aus, sonst gehen Sie hier ein.«
    Das Zimmer war recht klein, die Decke niedrig. Um einen runden Tisch gruppierten sich vier Sessel, ein Kaminofen bullerte, jeder freie Platz war von wuchernden Pflanzen

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