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Clara

Clara

Titel: Clara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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euch mal den Schund an, den ich in Christians Zimmer gefunden habe.«
    Toppe dankte dem Herrn für seinen langen Pullover und beugte sich über die bunte Broschüre, die aufgeschlagen auf dem Küchentisch lag.
    Beim Einsammeln der schmutzigen Wäsche hatte Gabi in Christians Zimmer auf dem Schreibtisch eine Barbara-Broschüre Licht in der Dunkelheit gefunden. Christian hatte einige Stellen mit neongelbem Stift markiert. Die Textblöcke waren auf den Hintergrund aus rosafarbenen Gladiolen gedruckt, auf der zweiten Seite über ein wehendes Kornfeld. Es ging um die Geschichte einer Frau, die mit einem Alkoholiker verheiratet war und sich eigentlich scheiden lassen wollte. Aber dann machte sie eine Wallfahrt nach Lourdes und lernte dort Jesus lieben.
    Von da an betete sie jeden Tag zur Jungfrau Maria. Aber das alles half nicht, der Mann trank weiter, die Ehe war zerstört. Doch endlich erfuhr sie von der »Gemeinschaft« und ging zu einem Seminar in das »Haus Theresa«. Und dort hörte sie einen Satz, der sie nachdenklich machte: die Frau sei dem Manne untertan.
    Astrid stand über den Tisch gebeugt und wand sich. »Ich halt’s nicht aus.«
    »Lies nur weiter«, sagte Gabi. »Es kommt noch viel besser.«
    Die Frau lernte auf dem Seminar, daß Gott den Mann eben sachlicher geschaffen hatte als die Frau und daß sie selbst viel zu hohe Erwartungen an ihren Ehemann gestellt hatte, weil ihr Hunger nach Liebe sowieso nur von Jesus gestillt werden konnte. Außerdem hatte sie in den letzten Jahren das Geld verdient und ihrem Ehemann so die Chance genommen, die Rolle zu erfüllen, zu der er als Mann ausersehen war. Am Ende des Seminars erkannte sie, daß sie sich ihm unterzuordnen hatte und ihm gegenüber gehorsam sein mußte, da die Hand Gottes auf dem Mann liegt. Was ich in diesem Gehorsam erlebte, ist unbeschreiblich. Der Gehorsam machte mich frei. So hat Gott an mir gewirkt in Frieden und Liebe.
    Toppe fuhr sich mit der Hand übers Gesicht.
    »Hast du schon mit Christian gesprochen?« fragte Astrid.
    »Nein.« Gabi ließ sich auf die Bank fallen. »Ich habe mal wieder keine Ahnung, wo der steckt.«
    »Reg dich doch nicht so auf«, versuchte Toppe sie zu beschwichtigen. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Junge diesen Mist wirklich glaubt.«
    »Da vertust du dich aber. Ich durfte mir erst vor ein paar Tagen einen Vortrag über meine fragwürdige Moral anhören.«
    »Ach komm, übertreib nicht.«
    »Was? Ich übertreibe? Sag mal, merkst du eigentlich nicht, in welche Ecke mich dieser Artikel da stellt?«
    »Haus Theresa, Haus Barbara«, nickte Astrid. »Ich habe euch doch gesagt, was das für ein Verein ist. Die arbeiten mit denselben Mitteln wie eine Sekte, und wenn ihr Christian nicht schnellstens da rausholt, dann ist seine Gehirnwäsche bald komplett.«
    »Verflucht noch mal, Astrid«, verlor Toppe den Rest seiner mühsamen Beherrschung. »Mußt du das alles jetzt auch noch dramatisieren? Diese Leute sind vielleicht wunderlich und verschroben, aber doch nicht gefährlich.« Er ignorierte ihre beleidigte Miene. »Ich sehe ein, daß wir mit Christian darüber reden müssen, aber heute hab ich absolut keinen Nerv dazu. Mir steht diese ganze Religionskacke bis hier.«

    Solange Christian sich um ihn kümmerte, solange er ihn kannte, war Opa Czesnik nicht so klar und lebendig gewesen. Er hatte rote Backen, und seine Augen glänzten. Aufrecht saß er im Bett und schimpfte wie ein Rohrspatz: »Da schicken die mir doch glatt so einen Schwarzrock rein! Letzte Ölung – da wird mir ja ganz anders.« Christian hatte sich einen Stuhl geholt und sich neben das Bett gesetzt. »Was ist denn daran so falsch?« fragte er vorsichtig.
    Opa Czesnik brummte. »Mein Lebtag hatte ich mit denen nichts am Hut, und so lange ich noch bei Verstand bin, kriegen die mich auch nicht, das kannst du mir glauben.« Er hustete trocken. »Reine Kraftvergeudung, mich überhaupt aufzuregen. Erzähl mir lieber, wie es mit dir und Clara steht.«
    »Ich hab sie noch nicht gesehen. Sie ist immer noch krank.«
    »Aber gerade dann solltest du dich kümmern.«
    Christian schlug die Augen nieder. »Die lassen mich nicht zu ihr.«
    Opa Czesnik schob langsam seine linke Hand vor und umfaßte Christians Arm. »Liebst du das Mädchen?«
    »Ja, ich liebe sie.« Er räusperte sich und sah den alten Mann an. »Aber nicht so, wie alle immer denken.«
    Opa Czesnik wollte lachen, aber dann drückte er Christians Hand ganz fest. »Mein lieber Junge, du läßt dir von

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