Clara
habe sowieso nicht verstanden, warum keiner von euch ein zweites Mal mit der Familie gesprochen hat. Bei den ersten Gesprächen standen die doch noch unter Schock.«
»Jetzt ist es aber gut, Norbert«, regte sich Heinrichs auf. »Oder glaubst du, wir können uns vierteilen?«
»Schon in Ordnung«, winkte van Appeldorn ab. »Von der Familie habe ich ja auch nichts Wesentliches mehr erfahren. Aber wenn du mal die blaue Mappe aufschlägst, Astrid, und dir die letzten beiden Seiten anguckst …«
Es war ein karierter Zettel, auf dem fünf Namen standen: Karsten Bülow, Alexander Wirtz, Claudia Hamaekers, Kirsten Glade, Frank Toenders.
»Und wie ich feststellen konnte, ist das Ralf Poortens Handschrift«, sagte van Appeldorn.
Astrid nickte und blätterte um. Die letzte Seite war eine aus der Zeitung ausgeschnittene Todesanzeige, sauber auf schwarzen Karton geklebt und in eine Prospekthülle gesteckt: Wir trauern um unseren geliebten Sohn, Karsten Bülow, geboren 12.9.79, gestorben 21.1.95.
»Von den Eltern dieses Jungen komme ich gerade her.«
Astrid stöhnte unterdrückt.
»Komm, Mädchen«, sagte Heinrichs leise. »Fang bloß nicht an, dir irgendwelche Vorwürfe zu machen. Ich hab das schließlich auch übersehen.«
»Weiter«, drängte Toppe.
»Karsten Bülow war Epileptiker«, berichtete van Appeldorn. »Er mußte regelmäßig Medikamente nehmen. Am 20. Januar 95 ist der Junge zu einem Wochenendseminar ins Haus Barbara gegangen. Der Vater hat ihn noch selbst hingefahren. Am 21. Januar bekamen die Eltern einen Anruf aus dem Klever Krankenhaus, ihr Junge sei gestorben. Offenbar ist er während des Seminars umgekippt, und als er im Krankenhaus ankam, war es schon zu spät.«
»Wie ist er ins Krankenhaus gekommen?« fragte Astrid.
»Das weiß ich alles noch nicht. Aber etwas anderes weiß ich: Ralf Poorten ist bei Bülows Eltern gewesen, und das ist noch gar nicht so lange her, im letzten August, meinten sie.«
Heinrichs schaute auf die Todesanzeige. »Mehr als ein halbes Jahr später? Was wollte er denn?«
»Das wußten die Eltern auch nicht so genau. Er hat ihnen erzählt, daß er auch bei dem Seminar war, daß er dabei war, als ihr Sohn bewußtlos wurde. Es war bei einer Meditation, wo sie irgendwelche Sprachübungen gemacht haben. So genau haben die Eltern den Poorten nicht verstanden.«
»Glossolalie«, nickte Astrid. »Darüber habe ich mal was in so einem Esoterikbuch gelesen. Haben die Eltern denn nicht im Haus Barbara nachgefragt?«
»Nein, das sind sehr einfache Leute. So was kommt denen gar nicht in den Sinn.«
»Wieso besucht Poorten die erst nach sieben Monaten?« dachte Toppe laut nach.
»Was ist mit den anderen Namen auf dem Zettel?« fragte sich Heinrichs.
Van Appeldorn nickte. »Kirsten Glade und Frank Toenders sind in Kleve nicht gemeldet, aber die Adressen von Alexander Wirtz und Claudia Hamaekers habe ich. Ich hatte eigentlich vor, die der Reihe nach zu überprüfen, aber jetzt … Was denkst du, Helmut, wäre es nicht einfacher, gleich mit den Leitern dieser netten Einrichtung zu sprechen und mal zu gucken, ob die wirklich so reinen Herzens sind?«
»Wenn die tatsächlich Dreck am Stecken haben, und sei es auch nur unterlassene Hilfe, und Poorten ist dahintergekommen und hat denen das auch serviert, dann hatten die doch allen Grund.« Mit Heinrichs gingen die Pferde durch. »Ja, paßt eigentlich alles. Die wollten dem gar nicht ans Leben, sondern ihm vielleicht bloß einen Denkzettel verpassen. Nur leider ist der ein bißchen zu hart ausgefallen.«
»Walter«, verdrehte Toppe die Augen. Ackermann hatte die ganze Zeit kein Wort gesagt und schaute jetzt ziemlich belämmert von einem zum anderen. »Un’ wat is’ jetz’ Sache? Ich mein, wat tun wer denn nu? Isset vorbei mit de Boote un’ mit Grieth un’ all dat?«
»Nein«, beschloß Toppe. »Das ganz bestimmt nicht.«
Sie teilten gemeinsam den Tag ein.
Als sie schon auf dem Parkplatz waren, fiel es Ackermann wieder ein: »Gott, Chef, hab ich fast verschwitzt. Wegen dem Verputzen.«
Toppe hatte keinen Schimmer.
»Die Schlitze un’ die Placken da in Ihre Eingangshalle! Ich hätt da einen, Heinz Vermoelen, is ’n Nachbar von mir. Der käm heut abend ma’ ebkes bei Ihnen kucken, wenn ’t recht is’. Wat ich die ganze Zeit schon fragen wollte: Wat haben Sie da ei’ntlich an Ihre Hand, Chef?«
»Halb so wild, nur an einer Wand aufgeschürft.«
»Aua!« Ackermann pfiff durch die Zähne. »So wat tut gemein weh. Wenn ich
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