Clara
pelzgefütterte Ledermantel, die Stiefel aus echtem Gummi – made in England – wirkten an Bonhoeffer nicht protzig, sondern nur selbstverständlich. So war das wohl bei einem, der aus altem westfälischen Geldadel stammte und von Kindesbeinen an immer mehr als genug gehabt hatte.
»Morgen«, begrüßte er die beiden Männer. »Wo steckt denn Helmut? Hat der sich wieder aus dem Staub gemacht?«
Van Appeldorn lachte. »Nee, der hat eine Pressekonferenz.«
»Die arme Socke!« Bonhoeffer zog sich dicke Gummihandschuhe an. »Das ist für den ja noch schlimmer als eine Sektion.«
»Sieht nicht so aus, als wäre der Mann ertrunken«, meinte van Gemmern harsch. »Kein Schaumpilz vor dem Mund.«
Langsam ging Bonhoeffer um den Leichnam herum und nickte. Van Appeldorn wippte ungeduldig auf und ab. »Ich kriege hier langsam Frostbeulen! Warum konnten wir den Typen eigentlich nicht gleich zu dir in den Keller bringen?«
Bonhoeffer kniete sich neben dem Toten in den Sand. »Weil man beim Transport einer Wasserleiche sehr viel falsch machen kann«, antwortete er. »Hilfst du mir mal?« wandte er sich an van Gemmern und fing an, die Leiche zu entkleiden.
Van Appeldorn schluckte. »Und was kann man da so falsch machen?«
»Nun ja, wenn zum Beispiel die Kleidung vor dem Transport nicht entfernt wird, schreitet die Mazeration fort, und ich schätze die Wasserzeit zu lang ein.«
Unter der dicken schwarzen Lederjacke trug der tote Mann eine Weste aus rotem Webpelz, zwei Pullover und ein Unterhemd. Van Appeldorn nahm die Jacke, hielt sie weit von sich – grauer Schlamm lief aus den Ärmeln – und betrachtete sie genauer. Dann die hohen Stiefel, die Bonhoeffer in den Sand gestellt hatte. »Motorradfahrer«, murmelte er.
»Mazeration?« fragte er dann.
»So nennt man die Veränderung des Körpers durch Wasser«, erklärte Bonhoeffer. »Kann man ganz gut an Händen und Füßen erkennen.«
Jetzt hatten sie auch die Lederhose und die Socken ausgezogen. »Hier.« Bonhoeffer deutete auf die Fußsohle.
»Ach so«, brummte van Appeldorn, »Waschhaut meinst du.«
»Genau. Und die Wasserzeit, von der ich gesprochen habe, ist die Zeit, die die Leiche im Wasser gelegen hat. Normalerweise müßte der Tote unter Kühlung in die Pathologie gebracht werden, aber das ist bei den momentanen Temperaturen wohl nicht nötig. Außerdem ist es ja nicht weit. Aber wenn es warm ist, kommt es bei Wasserleichen ganz schnell zu massiven Fäulnisprozessen, und es besteht die Gefahr, daß man die Todeszeit falsch einschätzt, wenn man die Leiche nicht sofort in Augenschein nimmt.«
Bonhoeffer beugte sich vor und zog dem Toten mit beiden Händen den Slip herunter. Das Genital fiel schlaff zur Seite.
Van Gemmern grunzte befriedigt.
»Du hattest wohl recht, Klaus«, sagte Bonhoeffer.
Van Appeldorn sah fragend von einem zum anderen, aber sie beachteten ihn nicht, drehten den Toten herum.
»Klärt mich vielleicht mal einer auf!«
Van Gemmern räusperte sich. »Guck dir doch mal den Penis an.«
»Nein.«
»Beim Ertrinken in kaltem Wasser kommt es zur Retrahierung von Penis und Skrotum.« Bonhoeffer richtete sich auf und streckte den Rücken durch. »Und das ist hier nicht der Fall, wie man deutlich erkennen kann. Also, Norbert, es sieht ganz so aus, als sei der Mensch schon tot gewesen, bevor er ins Wasser kam. Und noch etwas: vermutlich ist er vor seinem Tod schwer mißhandelt worden. Die Schädelverletzung könnte von einer Schiffsschraube stammen, aber das kriege ich später noch genauer. Das hier jedoch«, deutete er auf die dunklen Striemen an den Seiten und auf dem Rücken, »das waren Schläge mit einem Stock oder einer Stange. Und vorn an Brust und Bauch …« Ein kurzer Blick Wechsel mit van Gemmern, und sie kippten den Toten wieder herum. »Diese dreieckigen Abdrücke, das könnten Fußtritte sein.«
Van Appeldorn schlug verdrossen den Mantelkragen hoch. »Na, prima. Seid ihr jetzt hier fertig? Sonst würde ich nämlich mal kurz telefonieren gehen und Helmut seine Selbstmörderhoffnung nehmen. Außerdem wüßte ich gern, wo das Transportunternehmen bleibt.«
»Geh ruhig«, sagte Bonhoeffer. »Ich muß noch die Körper- und die Wassertemperatur nehmen. Obwohl …« Er überlegte. »Am genauesten kriegen wir die Rheintemperatur von der Wasserschutzpolizei. Klaus …«
Van Gemmern sprang auf die Füße. »Okay, ich kümmere mich darum. Sollen die auch eine Wasserprobe nehmen auf biologisch aktive Stoffe?«
»Ja, aber eine wird da wohl
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