Clara
Meistens hatte das auch geklappt.
Eine gute Stunde später rieb Ackermann sich die Hände. Wenn das kein voller Erfolg war! Keine einzige der inszenierten Schlägereien war unbemerkt geblieben. In den Häusern waren sofort die Lichter angegangen, Fenster waren aufgerissen worden, Leute waren auf die Straße gekommen, hatten geschimpft und mit der Polizei gedroht. Kneipenheimkehrer waren stehengeblieben und hatten geglotzt. Über jede Reaktion hatte Ackermann genau Buch geführt, und er war sich ganz sicher: Wenn Ralf Poorten in Grieth zu Tode geprügelt worden war, dann gab es dafür Zeugen. Verlogene Bande! Steckten alle unter einer Decke. Bloß unter welcher?
Jetzt blieb nur noch eine Möglichkeit: der Deich. Vielleicht hatte man den Jungen dort zusammengeknüppelt.
Ackermann hatte die Stelle ausgesucht, die am weitesten von jedem Wohnhaus entfernt war, am Ende von Albers’ Grundstück, nur ein paar Meter hinter dem Clara-Kreuz.
»Auf geht’s, Freunde!« Keule holte brüllend aus; er hatte einen Bärenspaß an der Sache.
»Klasse«, schrie Ackermann. »Jetz’ könnt er ma’ richtich Radau machen.«
Ohne die Straßenlaternen, im Vollmondlicht, sah alles gespenstisch echt aus. Ihm liefen die Schauer über den Rücken.
Sie legten ihr ganzes Herz in die Sache, aber im Ort blieb alles still, die wenigen Häuser, die man von hier aus sehen konnte, waren finster.
Taff taumelte und rutschte auf einem Grasbüschel aus. Mit Schwung kullerte er den Deich hinunter und prallte gegen eine Schuppenwand. Sein Fluchen war diesmal echt. Auf Albers’ Hof schlug der Hund an.
»Ej, Taff«, rief Ackermann und versuchte etwas zu erkennen, aber eine Wolke hatte sich vor den Mond geschoben. »Bisse noch ganz?«
»Sieht so aus«, kam es stöhnend zurück. Ackermann nickte. »Weiter, Leute, ma’ kucken, ob sich jetz’ wat tut.«
Keule und Joe bearbeiteten Manni mit perfekt gesetzten Fußtritten. Der krümmte sich schreiend.
Auf dem Hof drehte der Köter durch, sein Gebell wurde zu einem hohen, hysterischen Kläffen.
Taff hatte den Aufstieg bewältigt und rieb sich das Hinterteil. »Ich lege eine kleine Pause ein, Jupp, wenn’s recht ist.«
Jetzt ging auf Albers’ Hof die Außenbeleuchtung an. »Setzt noch einen drauf, Kinders! Sieht aus, als hätten wer endlich jemand ausse Heia gekitzelt.«
Albers Junior kam zum hinteren Tor gelaufen und versuchte, in der Dunkelheit etwas zu erkennen.
»Was, zum Teufel.« Die Wolke war am Mond vorbeigezogen. Albers trug einen gestreiften Schlafanzug und Gummistiefel.
»Ihr Verrecklinge! Macht, daß ihr wegkommt. Kloppt euch woanders.« Er hatte keinen Erfolg. »Ruhe, oder ich rufe die Polizei!«
Ackermann kicherte und ging bedächtig zum Tor hinunter. »Dat können Se sich schenken. Ich bin vonne Polizei, ’n Abend übrigens.«
»Was soll das heißen?« kochte Albers. »Was Sie da veranstalten, ist nächtliche Ruhestörung!«
»Nö, dat is’ bloß ’n Experiment«, grinste Ackermann freundlich.
»Mir ist scheißegal, wie Sie das nennen. Ich werde mich beschweren. Name und Dienstgrad!«
Ackermann lachte. »Dienstgrad! Mit solchen Sachen hab ich et nich’ so. Ich heiße Jupp Ackermann, un’ wenn Se bei de Kripo in Kleve fragen, da kennen se mich alle. Schönen Abend noch, der Herr.«
Die Jungs standen beim Kreuz und warteten. »Wie seht ihr dat? Wenn Taff nich’ gegen den Schopp gedonnert war’ un’ der Köter dat nich’ gehört hätt, dann hätten wer uns noch bis morgen früh kloppen können, ohne dat einer wat gemerkt hätte, oder?«
Nachdenklich sah Ackermann zum Fluß hinunter. Es roch nach Brackwasser und Öl. »So könnt et gewesen sein«, murmelte er. »Auffem Deich haben se den Kerl alle gemacht.«
Auf der gegenüberliegenden Rheinseite blinkten ein paar Lichter. Der Dornicker Grund, da war die Leiche hängengeblieben. Was war das denn da am Ufer? Im Mondlicht blitzte Metall.
Ackermann kniff die Augen zusammen. Dann schlug er sich auf einmal gegen die Stirn. »Gott, waren wir blöd!«
Da nervten sie die Leute in Duisburg wegen der Motorboote und hatten an das Naheliegende nicht gedacht: ein Ruderboot mit einem starken Außenborder. So ein Teil hatte doch hier jedes zweite Bäuerlein, und diese Dinger waren nirgendwo registriert.
23
Opa Czesnik lag im Bett und sah aus, als ob er fest schliefe, aber sein Geist war hellwach.
»Und dann?« drängelte er, ohne die Augen zu öffnen.
»Nichts«, antwortete Christian bedrückt. »Das ist es ja eben. Gestern
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