Clara
marinieren und Sud kochen.«
Astrid war die ganze Zeit schon nur halb bei der Sache, jetzt stand sie entschlossen auf. »Ich fahre ins Krankenhaus.«
»Ins Krankenhaus?« sah Gabi sie besorgt an.
»Es ist nur wegen einer Zeugenaussage«, meinte Astrid und winkte ab, als Toppe auch aufstehen wollte. »Bleib ruhig hier. Du kannst schließlich nichts dafür, wenn es mich umtreibt. Ihr könnt doch schon mal die Einladungen fertigmachen.«
Sie klopfte und öffnete gleichzeitig die Tür. Zwei Köpfe fuhren herum: Vater und Mutter Albers saßen an Claras Bett und hielten sich bei den Händen.
»Guten Tag«, sagte Astrid forsch. »Die Schwester meinte, Ihrer Tochter ginge es ein wenig besser, und ich könnte sicher kurz mit ihr sprechen.«
Sie schenkte dem Vater, der sofort aufgesprungen war und breitbeinig dastand, keine Beachtung, sondern trat an ihm vorbei ans Bett heran.
»Hallo, Clara.« Das Mädchen lag auf dem Rücken und sah sie aus großen Augen an: tiefblaue, wunderschöne Augen, todtraurige Augen.
Im linken Handrücken steckte eine Kanüle, der Schlauch führte zu einer Infusionsflasche.
Astrid strich vorsichtig über die Hand. »Wir haben einen gemeinsamen Freund: Christian, Christian Toppe. Ich lebe mit seinem Vater zusammen.«
Clara nickte langsam und öffnete den Mund. Ihre Lippen zitterten. Die Mutter drängte Astrid hastig zur Seite und fing an, Claras Gesicht mit einem feuchten Waschlappen abzutupfen.
Albers’ Hand legte sich fest auf Astrids Schulter und zog sie ein Stück zurück. »Lassen Sie unser Kind endlich in Ruhe. Sehen Sie nicht, wie krank sie ist?« Seine Stimme war belegt.
Astrid drehte sich zu ihm um und schüttelte dabei seine Hand ab.
»Bitte«, sagte sie eindringlich, »nur fünf Minuten. Es ist so wichtig. Ich verspreche Ihnen, daß ich sofort aufhöre, wenn es Clara zuviel wird.«
Aber er schüttelte unerbittlich den Kopf.
Erst jetzt fiel Astrids Blick auf den Tisch an der Wand, der überquoll von Blumensträußen, Gebetbüchern, Karten mit betenden Händen und Marienbildern, manche mit Glitzerdruck, und vor allem Kerzen jeder Art in verschnörkelten Ständern. Auf einem zweiten Tischchen stand ein Clara-Kreuz, zwei Kerzen brannten rechts und links davon, davor lag ein Rosenkranz.
Die Mutter hatte fertiggetupft, und Astrid ergriff ihre Chance. »Ich arbeite bei der Polizei, Clara. Du weißt, daß Ralf Poorten gestorben ist, nicht wahr?«
Clara sah an die Decke. »Ja«, hauchte sie kaum hörbar.
»Er ist ermordet worden, Clara. Wir haben gehört, daß du an dem Abend.«
Clara zuckte, krümmte sich und bäumte sich auf, ein tiefes Stöhnen, dann würgte sie.
»Guter Gott«, schrie die Mutter, »es geht wieder los!« Sie hastete um das Bett herum, riß die Nierenschale vom Nachtschrank, umfaßte Claras Kopf mit festem Griff und hielt ihr die Schale vor den Mund. »Lauf, hol die Schwester, Werner!«
Albers packte Astrids Handgelenk und zog sie hinter sich her. Er war stark.
»Und Sie verschwinden endlich! Sehen Sie nicht, was Sie unserem Kind antun?«
Auf dem Gang ließ er sie los und lief zum Schwesternzimmer. Astrid blieb stehen, lehnte sich an die Wand und atmete gegen ihr Herzklopfen an. Durch die offene Zimmertür konnte sie Claras krampfartiges Würgen hören und die Mutter, die laut und deutlich begann: »Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt …«
Albers kam mit der Schwester, sah an Astrid vorbei, aber sie hielt ihn am Arm zurück. »Wieso tu ich Ihrem Kind das an?«
Er schnaubte nur.
»Wir sehen uns dann morgen früh, Herr Albers.« Damit ging sie und fühlte sich miserabel.
Es war kurz nach Mitternacht, als van Appeldorn endlich das Präsidium verließ und sich auf den Heimweg machte. Er zitterte vor Müdigkeit und Kälte, seine Augen brannten vom vielen Lesen; ihm war klar, daß ihm in zehn Minuten ein saftiger Ehekrach bevorstand, weil er sich das ganze Wochenende lediglich zum Schlafen nach Hause begeben hatte, aber all das konnte seiner guten Laune nichts anhaben.
In Mühlenbecks Unterlagen gab es ganz einwandfrei Lücken, sehr aufschlußreiche Lücken.
24
Der Montag begann mit einem Riesenchaos. Alle trafen ziemlich gleichzeitig im Büro ein, fast alle waren angespannt, alle redeten.
»Da ist eine Nachricht von Reimann auf dem Anrufbeantworter«, sagte van Appeldorn.
»Hee, das Ergebnis von der Vergewaltigung ist da!« rief Heinrichs.
»Van Gemmern hat gleich Zeit für uns, Walter«, brüllte Ackermann.
Toppe schlug mit der Faust auf
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