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Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Titel: Claraboia oder Wo das Licht einfaellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Und Senhor Morais, was hältst du von ihm?«
    Die Mutter legte das Strickzeug ab und redete drauflos:
    »Den hat dir die Vorsehung geschickt. So ein Mann – selbst wenn du ihn auf Händen tragen würdest, könntest du dich nicht für all das revanchieren, was du ihm zu verdanken hast. Schon allein deine Wohnung! Und dein Schmuck! Und die Kleider! Ist dir jemals ein Mann begegnet, der dich so behandelt hätte? Was ich gelitten habe …«
    »Das kenne ich alles schon.«
    »Du sagst das in einem Ton … Anscheinend glaubst du mir nicht. Wenn ich nicht leiden wollte, dürfte ich nicht Mutter sein. Welche Mutter wünscht sich nicht, dass ihre Kinder gut versorgt sind?«
    »Ach ja? Welche Mutter?«, wiederholte Lídia spöttisch.
    Die Mutter nahm ihr Strickzeug wieder in die Hand und antwortete nicht. Langsam, als wäre sie mit den Gedanken woanders, strickte sie zwei Maschen. Dann sprach sie weiter:
    »Du hast angedeutet, dass ihr eine Meinungsverschiedenheit habt? Überleg dir gut, was du tust …«
    »Wieso machst du dir deshalb Sorgen! Ob es eine Meinungsverschiedenheit gibt oder nicht, ist meine Sache!«
    »Ich finde es nicht richtig, dass du so denkst. Auch wenn …«
    »Warum sprichst du nicht weiter? Auch wenn was?«
    Das Strickgarn machte Probleme, als wäre es völlig verknotet. Zumindest beugte sich die Mutter so darüber, als wäre darin der Gordische Knoten aufgetaucht.
    »Und? Willst du nicht antworten?«
    »Ich wollte … Ich wollte sagen … Selbst wenn du ein besseres Verhältnis fändest …«
    Lídia schlug das Buch mit einem Knall zu. Vor Schreck trennte die Mutter eine ganze Maschenreihe wieder auf.
    »Ich muss wohl großen Respekt dir gegenüber empfinden, dass ich dich nicht rauswerfe. Dabei habe ich überhaupt keinen Respekt vor dir, nur dass du es weißt, trotzdem werfe ich dich nicht raus, warum, weiß ich selbst nicht!«
    »Meine Güte, was habe ich gesagt, dass du so entrüstet bist?«
    »Das fragst du noch? Versetz dich doch in meine Lage!«
    »Du liebe Zeit, was regst du dich auf! Es klingt ja, als wolltest du mich zurechtweisen. Ich meine es doch nur gut mit dir!«
    »Würdest du jetzt bitte still sein.«
    »Aber …«
    »Ich habe dich gebeten, still zu sein!«
    Die Mutter jammerte:
    »Ich kann es nicht glauben, wie du mich behandelst. Mich, deine Mutter … Ich habe dich großgezogen und liebevoll für dich gesorgt. Dafür ist eine Mutter da …«
    »Wäre ich eine Tochter wie alle anderen Töchter und du eine Mutter wie alle anderen Mütter, dann hättest du Grund, dich zu beklagen.«
    »Und all die Opfer, die ich dir gebracht habe? Was ist damit?«
    »Dafür bist du gut entlohnt, falls du überhaupt welche gebracht hast. Du sitzt in einer Wohnung, die Senhor Morais bezahlt, auf einem Stuhl, den er gekauft hat, hast von dem Kaffee getrunken, den er auch trinkt, und hast Geld in der Tasche, das er mir gegeben hat. Ist das nicht genug?«
    Die Mutter jammerte weiter:
    »Was sagst du nur für Sachen! Ich schäme mich ja richtig …«
    »Das merke ich. Du schämst dich nur, wenn die Dinge laut ausgesprochen werden. Wenn sie gedacht werden, beschämen sie dich nicht!«
    Die Mutter trocknete sich schnell die Augen und erwiderte:
    »Ich habe dich nicht zu diesem Leben gezwungen. Du führst es, weil du es so willst!«
    »Vielen Dank. Ich fürchte, so, wie dieses Gespräch verläuft, ist es das letzte Mal, dass du diese Wohnung betreten hast!«
    »Die nicht dir gehört!«
    »Noch einmal vielen Dank. Ob meine Wohnung oder nicht, ich jedenfalls habe hier das Sagen. Und wenn ich sage, ›Raus hier!‹, dann meine ich das ernst.«
    »Vielleicht brauchst du mich noch eines Tages!«
    »Ich werde nicht bei dir anklopfen, keine Sorge! Und wenn ich verhungern müsste, ich werde dich um keinen roten Heller von dem Geld bitten, das du mir abgenommen hast.«
    »Das nicht dein Geld ist!«
    »Aber ich verdiene es. Das ist der Unterschied! Ich verdiene dieses Geld, ich! Mit meinem Körper. Zu irgendetwas musste es ja gut sein, dass ich einen schönen Körper habe. Um für deinen Unterhalt zu sorgen!«
    »Ich weiß nicht, was mich noch hier hält, warum ich nicht gehe!«
    »Soll ich es dir sagen? Es ist Angst. Die Angst, die goldene Eier legende Henne zu verlieren. Die Henne bin ich, die Eier stecken in deinem Portemonnaie, das Nest ist das Bett da drüben, und der Hahn … Weißt du, wer der Hahn ist?«
    »Jetzt wirst du unanständig!«
    »Mir ist heute danach, Unanständiges zu sagen. Ab und zu

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