Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
sich auch noch das Recht vorbehielt, zu tun, was sie für richtig erachtete, falls er sich für »bleiben« entschied. Aber warum antwortete sie nicht? Warum sagte sie nicht ja oder nein?
»Lídia! Warum sagst du nicht ja oder nein?«
Sie sah ihn von oben herab an.
»Bist du immer noch an dem Punkt? Ich dachte, du hättest dich längst entschieden.«
»Aber das ist doch alles absurd … Wir haben uns immer so gut verstanden …«
Lídia lächelte, ein trauriges, ironisches Lächeln.
»Siehst du, du lächelst! Antworte mir auf meine Frage!«
»Wenn ich sage, dass es stimmt, was machst du dann?«
»Ich … Keine Ahnung … Unsinn! Ich verlasse dich!«
»Gut. Und wenn ich sage, dass es nicht wahr ist, hast du schon daran gedacht, dass du dann weitere Briefe bekommen wirst? Wie lange, glaubst du, würdest du das aushalten? Und ich soll hier zu deiner Verfügung stehen, bis du mir nicht mehr glaubst?«
Die Mutter mischte sich ein.
»Senhor Morais, merken Sie denn nicht, dass es nicht wahr ist? Sie brauchen sie doch nur anzusehen!«
»Sei still, Mutter!«
Paulino schüttelte ratlos den Kopf. Lídia hatte recht. Der Briefschreiber würde, wenn nichts geschah, weitere Briefe schreiben, vielleicht mit noch mehr Einzelheiten. Er würde vielleicht dreist werden, ihn mit den schlimmsten Wörtern beschimpfen, mit denen man einen Mann beschimpfen kann. Wie lange würde er das durchhalten? Und wer garantierte ihm, dass Claudia bereit wäre, die zweite Geige zu spielen? Kurz entschlossen stand er auf.
»Die Sache ist klar. Ich gehe, und zwar jetzt!«
Lídia wurde blass. Trotz allem, was sie gesagt hatte, hatte sie nicht erwartet, dass er sie verließ. Sie war aufrichtig, aber unvorsichtig gewesen, das sah sie jetzt ein.
In gespielt gelassenem Ton antwortete sie:
»Wie du meinst.«
Paulino zog den Mantel an und griff nach seinem Hut. Er wollte es um seiner Mannesehre willen mit Anstand zu Ende bringen. Er erklärte:
»Das war das Schlimmste, was du tun konntest, nur dass du es weißt. Ich habe das nicht verdient. Alles Gute.«
Er wandte sich zur Tür, doch Lídia hielt ihn zurück.
»Einen Moment … Die Sachen in dieser Wohnung, die dir gehören, und das ist fast alles, stehen dir zur Verfügung. Du kannst sie abholen lassen, wann du willst.«
»Ich will nichts haben. Du kannst sie behalten. Ich habe noch genug Geld, einer anderen Frau eine Wohnung einzurichten. Guten Abend.«
»Guten Abend, Senhor Morais«, sagte Lídias Mutter. »Ich finde …«
»Sei still, Mutter!«
Lídia ging zur Wohnungstür und sagte zu Paulino, der schon die Hand auf die Klinke gelegt hatte, um hinauszugehen:
»Ich wünsche dir viel Glück mit deiner neuen Geliebten. Pass auf, dass du nicht gezwungen wirst, sie zu heiraten …«
Paulino ging, ohne zu antworten. Lídia kehrte zurück und setzte sich aufs Sofa. Sie zündete sich eine neue Zigarette an. Dann sah sie verächtlich zu ihrer Mutter hinüber und sagte:
»Worauf wartest du? Mit dem Geld ist es vorbei. Geh! Ich habe doch gesagt, alles hat einmal eine Ende …«
Mit einem Ausdruck beleidigter Würde kam die Mutter näher. Öffnete die Handtasche, nahm das Geld aus dem Portemonnaie und legte es auf den Tisch.
»Hier. Vielleicht wirst du es brauchen …«
Lídia rührte sich nicht.
»Steck das Geld ein! Sofort! Ich kann auf dieselbe Weise, wie ich das verdient habe, noch mehr verdienen. Raus jetzt!«
Als hätte sie sich nichts anderes gewünscht, steckte die Mutter das Geld wieder ein und ging. Sie war nicht mit sich zufrieden. Der letzte Satz ihrer Tochter hatte ihr klargemacht, dass sie weiterhin mit dieser Unterstützung hätte rechnen können, wenn sie nicht so aggressiv gewesen wäre. Wenn sie sich auf ihre Seite gestellt hätte, wenn sie sich liebevoller verhalten hätte … Doch die Liebe einer Tochter vermag so manches … Deshalb machte sie sich Hoffnung, dass sie früher oder später würde wiederkommen können …
Das Geräusch der ins Schloss fallenden Tür schreckte Lídia auf. Sie war allein. Die Zigarette verglomm zwischen ihren Fingern. Sie war allein, wie vor drei Jahren, als sie Paulino Morais kennengelernt hatte. Nun war es aus. Sie musste neu anfangen. Neu anfangen. Neu anfangen …
Langsam stiegen ihr zwei glänzende Tränen in die Augen. Sie zitterten ein wenig, verweilten auf dem Lidrand. Dann fielen sie. Nur zwei Tränen. Das Leben ist nicht mehr wert als zwei Tränen.
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A nselmo, der nicht viel Ausdauer besaß, wurde es schnell
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