Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
zu.
»Sag mir, ob es wahr ist oder nicht.«
»Ich habe dem, was ich gesagt habe, nichts mehr hinzuzufügen.«
»Es ist also wahr, natürlich ist es wahr! Wenn es nicht wahr wäre, würdest du protestieren und …«
»Wenn du hören willst, was ich denke, sage ich dir: Dieser Brief ist ein Vorwand!«
»Ein Vorwand? Wofür?«
»Das weißt du besser als ich.«
»Willst du damit sagen, ich hätte den Brief geschrieben?«
»Manchen Leuten ist jedes Mittel recht, um ihre Ziele zu erreichen …«
»Das ist eine abgefeimte Lüge!«, schrie Paulino. »So etwas könnte ich nie tun!«
»Wer weiß …«
»Herrgott! Du willst mit aller Gewalt erreichen, dass ich die Geduld verliere!«
Lídia drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und stand bebend auf.
»Du kommst wie ein Wilder herein, wirfst mir einen idiotischen Blödsinn vor und erwartest, dass ich gleichgültig bleibe?«
»Ist es also nicht wahr?«
»Erwarte nicht, dass ich dir antworte. Du musst glauben oder nicht glauben, was in dem Brief steht, und nicht, was ich sage. Du hast ja schon gesagt, dass du es glaubst, oder nicht? Worauf wartest du dann?« Sie lachte hart auf und fügte hinzu: »Männer, die meinen, dass sie betrogen werden, bringen die Frau um oder verlassen das Haus. Oder aber sie tun, als wüssten sie von nichts. Wofür entscheidest du dich?«
Paulino sank ermattet auf das Sofa.
»Sag mir nur, dass es nicht wahr ist …«
»Ich habe alles gesagt, was ich zu sagen hatte. Ich hoffe, es dauert nicht zu lange, bis du dich entscheidest.«
»Du bringst mich in eine Lage …«
Lídia drehte ihm den Rücken zu und ging zum Fenster. Ihre Mutter kam hinterher und flüsterte:
»Warum sagst du nicht, dass es nicht wahr ist? … Dann wäre er beruhigt …«
»Lass mich!«
Die Mutter setzte sich wieder und warf Senhor Morais einen mitleidigen Blick zu. Paulino, auf dem Sofa hingestreckt, schlug sich mit den Fäusten an den Kopf, weil er nicht wusste, wie er aus der verzwickten Situation herausfinden sollte. Er hatte den Brief nach dem Mittagessen erhalten und fast einen Schlaganfall bekommen, als er ihn las. Der Brief trug keine Unterschrift. Er enthielt keine Angaben darüber, wo sie sich trafen, weshalb er Lídia nicht in flagranti hätte überraschen können, der Verfasser beschrieb aber ausführlich alle möglichen Details und forderte ihn auf, wie ein Mann zu handeln. Nachdem er den Brief noch einmal gelesen hatte (er befand sich im Büro seiner Firma und hatte von innen abgeschlossen, um nicht gestört zu werden), dachte er, der Brief habe auch sein Gutes. Maria Claudias Jugend und Frische verwirrten ihn etwas. Ständig dachte er sich einen Grund aus, sie in sein Büro kommen zu lassen, worüber die übrigen Angestellten inzwischen schon tuschelten. Wie jeder Chef, der auf sich hält, hatte er einen Angestellten seines Vertrauens, der ihm alles berichtete, was in seinem Haus gesagt und getan wurde. Als Reaktion bemängelte er die Arbeit der Klatschmäuler und kümmerte sich noch mehr um Maria Claudia. Der Brief kam ihm gerade recht. Eine heftige Szene, zwei Beleidigungen und: Adieu, ich gehe, ich habe Besseres im Sinn! Natürlich waren da noch Hindernisse: schon allein Maria Claudias Jugend, ihre Eltern … Er hatte vorgehabt, beides unter einen Hut zu bringen: Lídia zu behalten, denn sie war als Frau nicht zu verachten, und Claudia nachzustellen, denn sie versprach noch besser zu werden. Doch da hatte er den Brief noch nicht erhalten. Die Denunziation war eindeutig, er musste darauf reagieren. Dumm war nur, dass er sich Claudias noch nicht sicher sein konnte und fürchtete, Lídia zu verlieren. Er hatte weder Zeit noch Lust, sich eine neue Geliebte zu suchen. Aber da war der Brief, direkt vor ihm. Lídia betrog ihn mit einem Habenichts, der in Untermieterzimmern hauste: Das war die schlimmste Beleidigung, eine Beleidigung seiner Männlichkeit. Eine junge Frau, ein alter Mann, ein neuer Liebhaber. Solch eine Beleidigung konnte er nicht hinnehmen. Er ließ Claudia in sein Büro kommen und plauderte mit ihr den ganzen Nachmittag. Von dem Brief sagte er nichts. Äußerst vorsichtig sondierte er das Terrain und wurde nicht enttäuscht. Nachdem Claudia gegangen war, las er den Brief noch einmal und beschloss, sämtliche für den Fall erforderlichen radikalen Maßnahmen zu ergreifen. So kam es zu der Szene.
Doch Lídia reagierte anders als erwartet. Völlig ungerührt stellte sie ihn vor die Alternative: bleiben oder gehen, wobei sie
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