Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
klingt die Wahrheit unanständig. Alles ist gut, solange man nichts Unanständiges sagt, solange niemand die Wahrheit ausspricht!«
»Ich gehe!«
»Dann geh. Und komm nicht wieder, denn es könnte sein, dass mir danach ist, noch mehr Unanständiges zu sagen!«
Die Mutter wickelte ihr Strickzeug ein und wickelte es wieder aus, sie konnte sich nicht entscheiden, aufzustehen. Sie versuchte zu beschwichtigen:
»Dir geht es heute nicht gut, mein Kind. Das sind die Nerven. Ich wollte dich nicht kränken, aber du bist gleich aufgebraust. Ihr habt sicher Krach, deshalb bist du so. Aber das geht vorüber, du wirst sehen …«
»Man könnte meinen, du wärst aus Gummi. Egal, wie oft man dich schlägt, du kehrst immer an denselben Punkt zurück. Hast du noch nicht verstanden, dass du gehen sollst?«
»Schon gut. Ich rufe morgen an und erkundige mich, wie es dir geht. Es wird schon wieder.«
»Spar dir das.«
»Hör zu, du …«
»Ich habe alles gesagt, was ich zu sagen hatte. Bitte geh jetzt.«
Die Mutter packte ihre Sachen ein, griff nach der Handtasche und machte Anstalten, zu gehen. Bei diesem Stand des Gesprächs blieb ihr wenig Hoffnung, noch einmal zurückkommen zu können. Sie versuchte, die Tochter mit Gefühlsduselei milder zu stimmen.
»Du ahnst ja nicht, was für einen Kummer du mir bereitest …«
»O doch. Du denkst, dass es mit deinem Monatsgeld aus und vorbei ist, richtig? Alles hat einmal ein Ende …«
Sie unterbrach sich, weil sie hörte, dass die Wohnungstür geöffnet wurde. Sie stand auf und ging in den Flur.
»Wer ist da? … Ach, du, Paulino?! Ich hatte heute nicht mit dir gerechnet …«
Paulino kam herein. Er legte weder Mantel noch Hut ab. Als er Lídias Mutter erblickte, rief er:
»Was machen Sie denn hier?«
»Ich …«
»Was heißt hier ich … Raus!«
Fast schrie er. Lídia mischte sich ein.
»Wie benimmst du dich, Paulino? Das ist doch nicht deine Art! Was ist los?«
Paulino sah sie wütend an:
»Das fragst du noch?« Er drehte sich zur Seite und explodierte: »Sind Sie immer noch hier? Habe ich nicht gesagt, Sie sollen auf der Stelle gehen? … Oder, warten Sie … Dann können Sie gleich hören, was für ein nettes Früchtchen Ihre Tochter ist. Setzen Sie sich!«
Lídias Mutter ließ sich auf einen Stuhl fallen.
»Und du auch!«, befahl Paulino seiner Geliebten.
»Ich bin nicht gewohnt, dass man in diesem Ton mit mir spricht. Ich werde mich nicht setzen.«
»Wie du meinst.«
Er nahm Hut und Mantel ab und warf sie aufs Bett. Dann wandte er sich an Lídias Mutter und legte los:
»Sie können bezeugen, wie ich Ihre Tochter behandelt habe …«
»Ja, Senhor Morais.«
Lídia unterbrach ihn.
»Geht es jetzt um mich oder um meine Mutter?«
Paulino drehte sich halb herum, als hätte ihn etwas gestochen. Er ging zwei Schritte auf Lídia zu, mit der Erwartung, sie werde zurückweichen. Aber Lídia wich nicht zurück. Paulino zog einen Brief aus der Tasche und streckte ihn ihr entgegen.
»Hier ist der Beweis dafür, dass du mich betrügst!«
»Du bist verrückt!«
Paulino fasste sich an den Kopf.
»Verrückt? Jetzt werde ich auch noch für verrückt erklärt? Lies, was da steht!«
Lídia faltete den Brief auseinander und las schweigend. Sie verzog keine Miene. Als sie zu Ende gelesen hatte, fragte sie:
»Du glaubst, was in diesem Brief steht?«
»Ob ich es glaube … Natürlich glaube ich es!«
»Worauf wartest du dann?«
Paulino sah sie an, als hätte er nicht verstanden. Lídias Kälte verunsicherte ihn. Mechanisch faltete er den Brief zusammen und steckte ihn ein. Lídia sah ihm direkt in die Augen. Verlegen wandte er sich ihrer Mutter zu, die mit vor Schreck geöffnetem Mund dasaß.
»Stellen Sie sich vor, Ihre Tochter hat mich mit einem Nachbarn betrogen, dem Untermieter des Schusters, irgend so einem Jüngelchen …«
»Lídia, das kann doch nicht sein!«, rief die Mutter bestürzt.
Lídia setzte sich aufs Sofa, schlug ein Bein über, nahm eine Zigarette aus der Schachtel und steckte sie sich in den Mund. Aus lauter Gewohnheit gab Paulino ihr Feuer.
»Danke.« Sie stieß den Rauch kräftig aus und sagte: »Ich weiß nicht, worauf ihr wartet. Senhor Morais hat erklärt, dass er glaubt, was in dem Brief steht, du, Mutter, hörst, dass man mich beschuldigt, ein Verhältnis mit einem jungen Mann zu haben, der vermutlich arm wie eine Kirchenmaus ist. Warum geht ihr nicht, worauf wartet ihr noch?«
Paulino, nun ruhiger, trat einen Schritt auf sie
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