Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
nur natürlich, dass du dich interessierst!«
»Welchen Gefallen hat Dona Lídia mir getan? Wenn mir überhaupt jemand einen Gefallen getan hat, dann Senhor Morais!«
»Hör mal«, mischte sich Anselmo ein, »ohne Dona Lídia hättest du nicht deine Stelle!«
Claudia antwortete nicht. Sie drehte sich zum Radio um und suchte einen Sender, der Musik nach ihrem Geschmack spielte. Sie blieb bei einer Werbesendung hängen. Ein Sänger mit »Schlafzimmerstimme« trug zu schmalziger Melodie und in schmalzigen Worten sein Liebesleid vor. Vielleicht durch den Schlager milder gestimmt, erklärte Claudia, als der Sänger verstummte:
»Na gut. Wenn ihr wollt, kann ich es versuchen. Im Übrigen«, fügte sie nach einer langen Pause hinzu, »wenn ich frage, wird Senhor Morais es mir auch sagen …«
Claudia hatte recht. Als sie am nächsten Tag nach Hause kam, wusste sie alles. Sie kam früher als erwartet. Es war erst kurz nach halb acht. Nachdem sie die Eltern geküsst hatte, verkündete sie:
»So! Ich weiß Bescheid!«
Bevor sie weitersprechen konnte, wollte der Vater wissen, warum sie so früh zu Hause war.
»Ich war nicht beim Unterricht«, antwortete sie.
»Dafür bist du spät gekommen …«
»Ich bin noch geblieben, damit Senhor Morais es mir erzählen konnte.«
»Ja und? Was ist?«, fragte Rosália begierig.
Claudia setzte sich. Sie wirkte leicht nervös. Ihre Unterlippe zitterte ein wenig. Die Brust hob und senkte sich, was vielleicht dem anstrengenden Heimweg zuzuschreiben war.
»Also, erzähl! Wir sind ganz neugierig!«
»Sie haben sich zerstritten. Senhor Morais hat einen anonymen Brief bekommen, in dem steht …«
»Wie bitte?«, fragten Vater und Mutter gleichzeitig.
»… dass Dona Lídia ihn betrügt.«
Rosália schlug sich auf die Schenkel.
»Ich hab’s mir doch gedacht!«
»Das Schlimmste kommt noch«, fuhr Claudia fort.
»Was denn noch?«
»In dem Brief steht, dass sie ihn mit dem Untermieter von Senhor Silvestre betrügt.«
Anselmo und Rosália waren fassungslos.
»Was für eine Gemeinheit!«, rief Rosália. »Ausgeschlossen, dass Dona Lídia so etwas tut!«
Anselmo widersprach ihr:
»Ich würde das nicht ausschließen. Was kann man denn von einer mit diesem Lebenswandel erwarten?« Und fügte leiser hinzu, damit Claudia es nicht hörte: »Nutten sind doch alle gleich …«
Claudia hörte es trotzdem. Sie blinzelte schnell und tat, als hätte sie nichts verstanden. Rosália murmelte noch immer:
»Das kann nicht sein …«
Unbehagliches Schweigen trat ein. Dann sprach Claudia weiter:
»Senhor Morais hat mir den Brief gezeigt … Er sagt, er hat keine Ahnung, von wem er kommt.«
Anselmo fand es angebracht, anonyme Briefe zu verurteilen – er bezeichnete sie als infam. Doch Rosália, ehrlich entrüstet, als verteidigte sie eine gerechte Sache, wehrte leidenschaftlich ab.
»Ohne solche Briefe käme vieles nicht ans Licht. Wäre ja noch schöner, wenn Senhor Morais die traurige Figur eines betrogenen Mannes abgeben müsste!«
Man bewegte sich auf die Entscheidung zu, die das Ereignis verlangte. Anselmo stimmte zu.
»Wäre ich in seiner Lage, würde ich auch wollen, dass man mich informiert …«
Empört fiel ihm seine Frau ins Wort:
»Was denkst du von mir? Nimm wenigstens Rücksicht auf deine Tochter!«
Claudia stand auf und ging in ihr Zimmer. Noch immer verärgert, bemerkte Rosália:
»Was redest du nur, Mann! So etwas sagt man nicht.«
»Na gut. Sieh zu, dass wir essen können.«
Die Entscheidung wurde vertagt. Claudia kam aus ihrem Zimmer zurück, und kurz darauf aß man zu Abend. Während der Mahlzeit wurde über nichts anderes gesprochen. Claudia aß vollkommen stumm, als wäre das Thema zu schlüpfrig, um sich an der Unterhaltung zu beteiligen. Rosália und Anselmo beleuchteten den Fall von allen Seiten bis auf eine, nämlich jene, die ihre Entscheidung erforderte. Beide wussten sie, dass sie diese treffen mussten, verschoben es aber stillschweigend auf später. Rosália erklärte, der Untermieter habe ihr seit dem ersten Tag nicht gefallen, und erinnerte ihren Mann daran, dass sie schon damals angemerkt hatte, wie schlecht er gekleidet war.
»Was ich nicht so richtig verstehe«, sagte Anselmo, »ist, dass Dona Lídia sich mit einem Habenichts eingelassen haben soll, der in möblierten Zimmern wohnt … Was zum Teufel konnte sie sich von dem erhoffen?«
»Das ist ganz einfach. Hast du nicht vorhin selbst gesagt, dass man von einer mit diesem Lebenswandel
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