Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
für diese Fast-Zusage würde zahlen müssen. Sie war nicht in Stimmung, das Bett aufzuschlagen, sah aber, dass er es wollte. Sie versuchte, den Eindruck, den sie hinterlassen hatte, zu verwischen, sich nicht mehr für die Bitte einzusetzen, doch durch ihre Liebkosung verwirrt, sagte Paulino schon:
»Ich will sehen, was sich machen lässt. Was kann sie?«
»Tippen, glaube ich …«
Dieses »glaube ich« drückte Lídias ganzen Unwillen aus. Sie richtete sich auf, nahm die Hand vom Knie ihres Liebhabers, und es schien, als bedeckte sie sich mit den undurchsichtigsten Kleidern, die sie besaß. Verblüfft bemerkte er die Veränderung, er ahnte nicht, was in ihr vorging. Er trank den letzten Schluck Kaffee und drückte den Zigarillo im Aschenbecher aus. Lídia rieb sich die Arme, als wäre ihr kalt. Sie warf einen Blick auf ihren Morgenrock, der auf dem Bett lag. Wenn sie ihn anzog, würde er es ihr verübeln, das wusste sie. Sie war in Versuchung, wagte es dann aber doch nicht. Ihre Sicherheit war ihr viel zu kostbar, um sie mit einer bockigen Reaktion aufs Spiel zu setzen. Paulino faltete die Hände über dem Bauch und sagte:
»Die Kleine soll am Mittwoch herkommen und mit mir sprechen.«
Lídia zuckte die Achseln.
»Ist gut.«
Ihre Stimme klang kalt und störrisch. Ein kurzer Blick auf Paulino zeigte ihr, dass er die Augenbrauen runzelte. Sie machte sich innerlich Vorwürfe, dass sie Missstimmung heraufbeschwor. Wie ein Kind hatte sie sich verhalten, dachte sie und versuchte zu kitten, was sie zerschlagen hatte. Sie lächelte ihn an, doch ihr Lächeln erstarrte – Paulino runzelte weiter die Stirn. Ihr wurde bange zumute. Sie musste unbedingt einen Weg finden, ihn wieder aufzuheitern. Sie wollte etwas sagen, wusste aber nicht, was. Wenn sie schnell zu ihm ging und ihn auf den Mund küsste, wäre alles vorüber, aber das brachte sie nicht fertig. Sie wollte nicht klein beigeben. Kapitulieren ja, aber nicht aktiv.
Ohne nachzudenken, ganz instinktiv, löschte sie das Licht im Zimmer. Dann ging sie im Dunkeln zur Frisierkommode und schaltete die Stehlampe daneben ein. Das Licht fiel direkt auf sie. Sekundenlang blieb sie still stehen. Sie wusste, dass sich ihr nackter Körper unter dem Nachthemd deutlich abzeichnete. Dann drehte sie sich langsam um. Paulino Morais griff mit beiden Händen gleichzeitig zu den Hosenträgern und knöpfte sie los.
16
A bel blieb auf dem Treppenabsatz stehen, um sich eine Zigarette anzuzünden. In diesem Augenblick flammte das Licht im Treppenhaus auf. Im Stockwerk über ihm ging eine Tür, er hörte gedämpfte Stimmen und gleich darauf schwere Schritte, unter denen die Stufen knarrten. Abel zog den Schlüssel aus der Tasche und tat so, als suchte er nach dem Schloss. Er steckte den Schlüssel erst hinein, als er die Person, die herunterkam, in der Nähe spürte. Dann drehte er sich um und erblickte Paulino Morais. Dieser murmelte ein höfliches »Guten Abend«, was Abel, inzwischen in der Wohnung, ebenso höflich erwiderte.
Während er durch den Flur ging, hörte er über seinem Kopf leichte Schritte in dieselbe Richtung gehen. Als er sein Zimmer betrat, hörte er sie von weiter weg. Er schaltete das Licht ein und sah auf seine Armbanduhr: fünf Minuten nach zwei.
Im Zimmer war es stickig. Er öffnete das Fenster. Vom Widerschein der Stadt beleuchtet, zogen am Himmel langsam dicke Wolken vorbei. Es war wärmer geworden, die Luft war lau und feucht. Die schlafenden Häuser rings um die Hinterhöfe wirkten, als bewachten sie einen dunklen Brunnen. Nur aus seinem Zimmer kam Licht. Es ergoss sich durch das offene Fenster in den Innenhof, sodass die nutzlosen Stiele der mickrigen Kohlpflanzen sichtbar wurden, die, eben noch im Dunkeln, nun wie aus dem Schlaf hochgeschreckt aussahen.
Ein zweites Licht ging an, es beleuchtete die Rückseiten der Häuser gegenüber. Abel sah Wäsche auf der Leine, Blumentöpfe und die Spiegelung in den Fensterscheiben, auf die das Licht fiel. Er bekam Lust, die Zigarette auf der Gartenmauer zu Ende zu rauchen. Um nicht durch die Küche gehen zu müssen, sprang er aus dem Fenster. Im Hühnerstall hörte er Küken piepsen. Er ging zwischen den hell beleuchteten Kohlpflanzen weiter. Dann drehte er sich um und blickte nach oben. Hinter den Erkerscheiben sah er Lídia zu ihrem Badezimmer gehen. Er lächelte, ein trauriges, hoffnungsloses Lächeln. Um diese Zeit machten Hunderte von Frauen das Gleiche wie Lídia … Er war müde nach Hause gekommen, war
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