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Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Titel: Claraboia oder Wo das Licht einfaellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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setzte sich, an seinem Zigarillo nuckelnd, auf sein Lieblingssofa.
    An diesem Abend war Lídia gewisser Umstände wegen nicht im Nachthemd, was vielleicht zu Paulinos stummer Gereiztheit beitrug. Die Art, wie er den Zigarillo zwischen den Zähnen hielt, das Trommeln mit den Fingern auf der Sofalehne, all das zeigte an, dass er nicht zufrieden war. Lídia saß auf einem niedrigen Hocker vor ihm und versuchte ihn mit den Nichtigkeiten ihres Tages zu unterhalten. Schon vor einigen Abenden hatte sie bei ihrem Liebhaber eine Veränderung festgestellt. Er »verschlang« sie nicht mit Blicken, was sich einerseits durch ihre lange Beziehung erklären ließ, aber auch bedeuten konnte, dass er aus anderen Gründen das Interesse an ihr verlor. Mit ihrem ständigen Gefühl von Unsicherheit befürchtete Lídia immer das Schlimmste. Scheinbar unbedeutende Kleinigkeiten, gelegentliche Unaufmerksamkeit, Worte, die eine Spur zu heftig waren, hin und wieder ein abwesender Gesichtsausdruck, all das bereitete ihr Sorgen.
    Paulino beteiligte sich nicht am Gespräch. Es gab lange Pausen, in denen weder sie noch er etwas zu sagen wusste. Oder vielmehr: Nur Lídia wusste nicht, was sie sagen sollte, Paulino schien entschlossen zu schweigen. Sie bemühte ihre Phantasie, um das Gespräch nicht abreißen zu lassen; er antwortete zerstreut. Doch in Ermangelung eines Themas erstarb die Unterhaltung wie ein Leuchter, dem das Öl ausgeht. Lídias Kleid war an diesem Abend offenbar zusätzlich ein Grund für die Distanz. Paulino stieß nervös und ausgiebig pustend lange Rauchwolken aus. Lídia gab die Suche nach einem Thema, das ihn interessieren konnte, auf und bemerkte etwas beiläufig:
    »Du scheinst Sorgen zu haben …«
    »Hm …«
    Die Antwort konnte alles bedeuten. Anscheinend wartete er darauf, dass Lídia ihre Vermutung konkreter formulierte. Mit der vagen Furcht vor dem Unbekannten, das sich in dunklen Häusern und in unvorsichtigen Worten verbirgt, bei denen man nie weiß, welche Folgen sie haben werden, fügte Lídia hinzu:
    »Seit ein paar Tagen scheinst du mir verändert. Du hast mir immer gesagt, was dich beschäftigt … Ich will nicht indiskret sein, versteh mich recht, aber vielleicht täte es dir gut, es mir zu erzählen …«
    Paulino sah sie belustigt an. Er brachte sogar ein Lächeln zustande. Sein Blick und sein Lächeln machten Lídia Angst. Sie bereute bereits, was sie gesagt hatte. Als er merkte, dass sie einen Rückzieher machte, sagte Paulino, um die Gelegenheit zu nutzen, die sie ihm geboten hatte:
    »Geschäftliche Probleme …«
    »Du hast so oft gesagt, wenn du bei mir bist, denkst du nicht ans Geschäft!«
    »Das stimmt. Aber jetzt denke ich daran …«
    Sein Lächeln war böse. In seinen Augen stand der unerbittlich starre Blick, der Mängel oder Unvollkommenheit feststellt. Lídia merkte, dass sie errötete. Sie ahnte, dass etwas für sie Unangenehmes kommen würde. Da sie schwieg, fuhr Paulino fort:
    »Jetzt denke ich daran. Was nicht heißen soll, dass ich mich nicht mehr bei dir wohl fühle, natürlich nicht, aber es gibt Angelegenheiten, die so schwierig sind, dass man ständig darüber nachdenken muss, ganz gleich mit wem man zusammen ist.«
    Um nichts in der Welt wollte Lídia wissen, worum es dabei ging. Sie ahnte, dass es nur schaden würde, darüber zu sprechen, und in diesem Augenblick sehnte sie sich nach einer Unterbrechung, durch das Klingeln des Telefons zum Beispiel oder irgendetwas anderes, das diesem Gespräch ein Ende setzen würde. Doch das Telefon klingelte nicht, und Paulino war nicht bereit, sich unterbrechen zu lassen.
    »Ihr kennt die Männer nicht. Auch wenn wir eine Frau sehr gernhaben, heißt das nicht, dass wir nur an sie denken.«
    »Natürlich nicht. Das ist bei uns Frauen genauso.«
    Ein freches Teufelchen hatte Lídia dazu getrieben, dies zu sagen. Dasselbe Teufelchen flüsterte ihr weitere, noch frechere Worte zu, und Lídia musste sich oder auch das Teufelchen zügeln, um sie nicht auszusprechen. Jetzt ruhte ihr durchdringender Blick auf Paulinos Hässlichkeit. Ein wenig verschnupft wegen ihrer Antwort gab er zurück:
    »Ja, natürlich! Das fehlte noch, immer an denselben Menschen zu denken!«
    Seine Stimme klang verächtlich. Sie sahen einander misstrauisch, ja fast feindselig an. Paulino wollte herausfinden, wie viel Lídia wusste. Diese ihrerseits tastete die wenigen präzisen Worte ab, die sie gehört hatte, um den Grund dafür zu erfassen. Plötzlich schoss ihr eine

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