Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
leiden!«
»Schon gut. Keine Sorge.«
Lídia stand auf. Es war besser, das Thema nicht weiter zu vertiefen. Sie hatte in Paulinos schönen Flirt Unruhe gebracht und glaubte, damit wären ihm die Flausen ein für alle Mal ausgetrieben. Sie machte den Kaffee und achtete genau darauf, sich elegant zu bewegen. Dann servierte sie Paulino den Kaffee. Sie setzte sich ihm auf den Schoß, legte ihm einen Arm um die Schulter und gab ihm den Kaffee wie einem Kind zu trinken. Das Thema Maria Claudia war erledigt. Paulino trank den Kaffee und lächelte, während seine Geliebte ihn im Nacken liebkoste. Plötzlich zeigte Lídia lebhaftes Interesse an seinem Kopf.
»Was benutzt du jetzt für die Haare?«
»Ein neues Produkt.«
»Das habe ich am Duft gemerkt. Aber warte …«
Sie betrachtete seine Glatze aufmerksam und sprach fröhlich weiter:
»Oh, Schatz, du hast jetzt mehr Haare …«
»Im Ernst?«
»Ich schwöre es.«
»Gib mir mal einen Spiegel!«
Lídia sprang von seinem Schoß und lief zur Frisierkommode.
»Hier. Sieh genau hin!«
Während er die Augen verdrehte, um zu sehen, was der Spiegel ihm zeigte, murmelte er:
»Ja … du hast offenbar recht …«
»Sieh mal, hier und hier … Siehst du diese kleinen Härchen? Da wächst neues Haar!«
Paulino gab ihr den Spiegel zurück und lächelte.
»Das Produkt ist gut. Das hatte man mir schon gesagt. Es enthält Vitamine, verstehst du?«
In allen Einzelheiten erklärte Paulino, worin die Zusammensetzung bestand und wie das Mittel angewendet werden musste. So endete der Abend, der schlecht begonnen hatte, doch noch gut. Mit Rücksicht auf Lídias Zustand ging Paulino vor Mitternacht. Mehr oder weniger deutlich bedauerten beide, dass dieser Zustand sie zur Enthaltsamkeit zwang. Sie entschädigten einander mit Küssen und zärtlichen Worten.
Nachdem Paulino gegangen war, kehrte Lídia in ihr Schlafzimmer zurück. Sie begann aufzuräumen, da hörte sie aus dem Stockwerk über ihr ein leichtes Klappern von Absätzen. Das Geräusch war deutlich zu hören. Es kam und ging, hin und her. Lídia blieb reglos stehen, horchte mit geballten Fäusten und leicht erhobenem Kopf. Es folgten zwei kräftigere Laute (Schuhe fielen) – dann Stille.
28
D er umfangreichen Sammlung ihrer Briefe mit Beschwerden und Klagen fügte Carmen einen weiteren hinzu. In der Heimat, im fernen Vigo, würden die Eltern entsetzt und unter Tränen die neuerliche Schilderung des Unglücks ihrer in den Händen eines Ausländers gefangenen Tochter lesen.
Da sie dazu verdammt war, eine ihr fremde Sprache zu gebrauchen, konnte sie sich nur in Briefen mit Worten ausdrücken, die sie selbst ganz und gar verstand. Sie berichtete alles, was seit dem letzten Brief geschehen war, ließ sich länger über die Krankheit des Sohnes aus und verlieh der Szene in der Küche einen mit ihrer Würde zu vereinbarenden Anstrich. Nachdem sie wieder klar denken konnte, fand sie, sie habe sich unanständig verhalten. Vor dem Ehemann niederzuknien war für sie die schlimmste Schmach. Was ihren Sohn betraf … Er würde das vergessen, er war ja noch ein Kind. Doch ihr Mann würde es niemals vergessen, und das machte ihr am meisten zu schaffen.
Sie schrieb auch ihrem Cousin Manolo. Doch nicht ohne Zögern. Sie hatte das vage Gefühl, dass sie einen Verrat beging, und gestand sich ein, dass er wohl keinen Anlass für ihren Brief sehen würde. Abgesehen von kurzen Glückwünschen zum Geburtstag sowie Weihnachts- und Ostergrüßen hatte sie keine Post mehr von ihm erhalten. Dennoch wusste sie, wie sein Leben aussah. Die Eltern hielten sie auf dem Laufenden über sämtliche Ereignisse im Familienclan, und Cousin Manolo mit seiner Bürstenfabrik lieferte reichlich Stoff. Er hatte es zu etwas gebracht. Schade nur, dass er Junggeselle geblieben war – so würden nach seinem Tod so viele Erben der Fabrik befriedigt werden müssen, dass für jeden Einzelnen nur wenig übrig bliebe. Es sei denn, er ernannte einen Alleinerben zum Nachteil aller anderen. Er konnte frei über seinen Besitz verfügen, deshalb war alles möglich. All diese Fakten wurden in den Briefen aus Vigo lang und breit dargelegt. Manolo war noch jung, nur sechs Jahre älter als Carmen, aber Henrique sollte sich in Erinnerung bringen. Carmen hatte solchen Anregungen nie viel Gewicht beigemessen, auch sah sie keine Möglichkeit, wie ihr Sohn sich hätte wirksam in Erinnerung bringen können. Manolo kannte ihn nicht. Er hatte ihn als ganz kleines Kind einmal
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