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Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Claraboia oder Wo das Licht einfaellt

Titel: Claraboia oder Wo das Licht einfaellt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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Sie nicht?«
    Der Postbote sah den Stapel durch, den er in der Hand hielt, und antwortete:
    »Nein, nur den da.«
    Nur diesen! Am liebsten wäre Carmen in Tränen ausgebrochen. In dem Augenblick wurde ihr klar, dass sie auf einen Brief von Manolo gewartet hatte, und zwar vor allem auf den von ihm. Aber der Brief kam nicht. So langsam, dass der Postbote sich wunderte, schloss sie die Tür. Wie verrückt war sie gewesen! Sie hatte überhaupt nicht nachgedacht! Sie hatte nicht alle Sinne beisammengehabt, als sie ihrem Cousin schrieb! Während sie diesen Gedanken nachhing, vergaß sie ganz, dass sie den Brief der Mutter in der Hand hielt. Doch plötzlich spürte sie das Papier zwischen den Fingern. Sie murmelte auf Galicisch:
    »Miña nai …«
    Kurz entschlossen riss sie den Umschlag auf. Zwei große Blätter, von oben bis unten in der engen, kleinen Schrift beschrieben, die sie so gut kannte. Im Flur war es dunkel, sie konnte nichts lesen. Sie ging ins Schlafzimmer, schaltete das Licht an, setzte sich auf die Bettkante, alles sehr schnell, als fürchtete sie, der Brief könnte ihr zwischen den Fingern verdunsten. Ihre tränennassen Augen konnten die Wörter nicht erkennen. Nervös trocknete sie sich die Augen, schnäuzte sich und konnte endlich lesen, was die Mutter ihr schrieb.
    Ja, alles wie erwartet. Die Mutter bedauerte sie erneut, schrieb erneut, es sei nicht ihre Schuld, sie habe sie ja gewarnt … Ja, das wusste sie schon alles, dieselben Worte hatte sie schon in anderen Briefen gelesen … Aber schrieben sie ihr denn nichts weiter? Hatten sie ihr nichts anderes zu sagen? Nein? … Aber … Was soll das heißen? Ach, liebe Mutter, liebe, liebe Mutter …
    Da stand es. Sie würde fahren. Für eine Zeit zu den Eltern fahren. Einen Monat bleiben, vielleicht auch zwei. Sie würde Henrique mitnehmen. Die Eltern wollten die Fahrt bezahlen. Das würde … Was es würde, wusste Carmen selbst nicht. Tränen schossen ihr in die Augen, sie konnte nichts mehr lesen. Herrlich würde es, keine Frage. Zwei Monate, vielleicht drei, fern von diesem Haus, bei den Ihren, mit ihrem Kind zusammen.
    Sie trocknete sich die Augen und las weiter. Neues von den Eltern, der Familie, die Geburt eines Neffen. Dann liebe Grüße und Küsse. Am Rand in engerer Schrift ein Postskriptum. Es klingelte an der Tür. Carmen hörte es nicht. Es klingelte wieder. Carmen hatte die letzten Zeilen schon gelesen, hörte aber nichts. Da stand die Erklärung: Manolo ließ ausrichten, er habe nicht geschrieben, weil er hoffe, dass sie nach Vigo komme. Es klingelte ungeduldig und anhaltend. Als kehrte sie aus fernen Zeiten zurück, hörte Carmen es endlich. Sie ging die Tür aufmachen. Es war Henrique. Er verstand nichts mehr, die Mutter weinte und lachte zugleich. Er fühlte ihre Umarmung, spürte ihre Küsse und hörte:
    »Wir besuchen Großvater Filipe und Großmutter Mercedes. Und wir bleiben eine Zeit bei ihnen. Wir fahren zu ihnen, Henrique!«
    Als Emílio am Abend nach Hause kam, zeigte Carmen ihm den Brief. Er hatte sich nie für die Korrespondenz seiner Frau interessiert und war so taktvoll, nicht heimlich in ihren Briefen zu stöbern. Er vermutete, dass sie klagte, und ahnte, dass er darin als Tyrann dargestellt wurde, aber er wollte sie nicht lesen. Und obwohl es Carmen nichts ausgemacht hätte, wenn er erfuhr, was über ihn gesagt wurde, zeigte sie ihm lediglich den Absatz, in dem die Mutter von der Reise sprach – schließlich musste er seine Zustimmung geben, wenn er aber auch noch alles andere las, würde er sie womöglich verärgert verweigern. Emílio merkte, dass an einem Blatt der Rand abgeschnitten war. Aber er fragte nicht, warum. Wortlos gab er den Brief zurück.
    »Und?«
    Er antwortete nicht gleich. Auch er sah zwei, vielleicht drei Monate Alleinsein vor sich. In Freiheit, allein in der leeren Wohnung. Er würde weggehen können, wann er wollte, nach Hause kommen, wann er wollte, auf dem Fußboden schlafen oder im Bett. Er sah sich all das tun, was er so gern tun wollte, aber das waren so viele verschiedene Dinge, dass ihm jetzt kein einziges einfiel. Ein Lächeln umspielte seinen Mund. Augenblicklich fühlte er sich frei, die Ketten, die ihn fesselten, fielen von ihm ab. Da draußen erwartete ihn ein pralles, erfülltes Leben, in dem sich alle Träume, alle Hoffnungen verwirklichen ließen. Dass es nur drei Monate währen würde, welche Rolle spielte das? Vielleicht kämen ja dann seine mutigen Tage …
    »Und?«, fragte

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