Claraboia oder Wo das Licht einfaellt
hatte.
Justina ahnte nicht, was ihre Anwesenheit in ihrem Mann auslöste. Sie erlebte ihn als nervös, leicht erregbar, führte dies jedoch darauf zurück, dass sie ihn mit noch größerer Verachtung behandelte. Als spielte sie, obwohl sie sich der Gefahr bewusst war, mit einem gefährlichen Tier, wollte sie ausprobieren, wie lange ihr Mann standhalten würde. Sie wollte wissen, wie weit seine Feigheit ging. Sie lockerte ihre stumme Verachtung und redete mehr, damit sie immer wieder Gelegenheiten hatte, ihre Verachtung zu zeigen. In all ihren Worten, in allen Tonlagen ihrer Stimme ließ sie ihren Mann spüren, für wie nichtswürdig sie ihn hielt. Caetano aber war zu einem masochistischen Liebhaber geworden. Die Beleidigungen, die Hiebe auf seinen Stolz als Mann und Ehemann führten bei ihm zu Ausbrüchen von Begierde. Justina spielte mit dem Feuer, ohne es zu merken.
Eines Nachts hielt Caetano es nicht mehr aus und begab sich, nachdem er die Zeitung verlassen hatte, auf schnellstem Weg nach Hause. Er war eigentlich verabredet gewesen, vergaß es aber. Die Frau, die auf ihn wartete, konnte ihn nicht befriedigen. Als wäre er verrückt geworden, hätte aber noch im Kopf, wo man ihn wieder zur Vernunft bringen würde, eilte er nach Hause. Er stieg in ein Taxi und versprach dem Fahrer ein gutes Trinkgeld, wenn er sich beeilte. Das Taxi legte in wenigen Minuten die Strecke durch die menschenleeren Straßen zurück. Das Trinkgeld war großzügig, mehr noch: verschwenderisch üppig. Als Caetano die Wohnung betrat, fiel ihm plötzlich ein, dass er, als er das letzte Mal um diese Zeit nach Hause gekommen war, sich gründlich blamiert hatte. Für einen kurzen Augenblick war er geistesgegenwärtig. Ihm war klar, was er vorhatte, und er fürchtete die Konsequenzen. Aber er hörte Justinas ruhige Atemzüge, spürte die Wärme im Schlafzimmer, betastete durch die Decke den darunterliegenden Körper, und wie eine Welle, die das Meer aus der Tiefe aufsteigen lässt, kochte in ihm rasende Begierde hoch.
Es geschah im Dunkeln. Bei der ersten Berührung erkannte Justina ihren Mann. Noch halb im Schlaf versuchte sie, sich mit unbeholfenen Bewegungen zu wehren. Doch er überwältigte sie, presste sie auf die Matratze. Sie lag starr und regungslos, konnte nicht reagieren, als erlebte sie einen Albtraum, in dem sich ein Ungeheuer, unbekannt und deshalb so furchtbar, auf sie stürzte. Schließlich gelang es ihr, einen Arm zu befreien. Sie tastete im Dunkeln, schaltete die Nachttischlampe ein. Und erblickte ihren Mann. Er sah zum Fürchten aus. Die Augen hervorgequollen, die Unterlippe noch tiefer hängend als sonst, das Gesicht rot und schweißnass, ein animalischer Gesichtsausdruck verzerrte ihm den Mund. Justina schrie nicht, weil ihre vor Entsetzen zugeschnürte Kehle keinen Ton herausbrachte. Unvermittelt verzog sich Caetanos Miene wie in einem Krampf und war nicht mehr zu erkennen. Es war das Gesicht eines anderen Wesens, eines aus der prähistorischen Animalität ausgebrochenen Mannes, einer wilden Bestie in menschlichem Körper.
Worauf Justina ihm mit kalt glitzerndem Blick ins Gesicht spuckte. Verblüfft und noch zitternd sah Caetano sie an. Er begriff nicht recht, was geschehen war. Wischte sich mit der Hand über das Gesicht und sah sie an. Der noch warme Speichel war an seinen Fingern hängen geblieben. Er spreizte die Finger – der Speichel hing in glänzenden Fäden dazwischen, die Fäden wurden immer dünner, bis sie rissen. Caetano begriff. Endlich begriff er. Es war gleichsam der unvorsichtige Peitschenhieb, der den schon gezähmten Tiger veranlasst, sich auf die Hinterläufe zu erheben, die Krallen auszufahren, die scharfen Zähne zu zeigen. Justina schloss die Augen und wartete. Caetano rührte sich nicht. Justina öffnete vorsichtig die Augen und spürte sofort, dass ihr Mann sich abermals auf sie legte. Sie versuchte ihm auszuweichen, doch sein ganzer Körper hatte sie in der Gewalt. Sie wollte kalt bleiben, so wie beim ersten Mal, doch beim ersten Mal war sie ganz natürlich kalt geblieben, nicht durch Willenskraft. Nun gelang es ihr nur mit Willenskraft. Doch ihr Wille begann nachzulassen. Mächtige Kräfte, die bislang geschlummert hatten, stiegen in ihr auf. Wellen durchströmten sie in rascher Folge. So etwas wie ein brennendes Licht kam und ging in ihrem Kopf. Sie stieß einen unartikulierten Laut aus. Ihre Willenskraft versank im Strudel des Triebs. Einen Augenblick behielt sie noch die Oberhand, kämpfte
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