Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
geheiratet hatte und die Gesellschaft der Damen sichtlich genoss, obwohl er noch schlechter tanzte als Alex. Er hatte ihr bereits zweimal auf die Füße getreten und war gerade dabei, sich über Sid Gillespie aufzuregen, als Clarissa beobachtete, wie Betty-Sue sichtlich geknickt das Roadhouse verließ. »Tut mir furchtbar leid, Sir«, entschuldigte sie sich bei dem Zeitungsmann, »wir müssen den Tanz später nachholen. Ich sehe gerade, dass ich dringend gebraucht werde.«
»Lassen Sie das alberne ›Sir‹«, erwiderte der Zeitungsmann, »die ganze Stadt nennt mich ›George‹ oder ›Hill‹. Es geht sicher um Ihre Freundin Betty-Sue. Sie ist traurig, weil Matthew nicht gekommen ist. Wenn ich ehrlich bin, kann ich es ihm nicht verdenken bei der Stimmung, die gerade in der Stadt herrscht. Auch für einige Herrschaften, die heute Abend hier sind, würde ich meine Hände nicht ins Feuer legen. Aber keine Angst, die Weekly Fairbanks News werden dafür sorgen, dass dieser Sid Gillespie nicht länger seine Giftpfeile abschießen und einigen Unverbesserlichen den Kopf verdrehen kann …«
Seine Stimme war immer lauter geworden, und seine letzten Worte wurden von den meisten Anwesenden mit begeistertem Applaus begleitet, auch von Dolly und Alex, sodass niemand bemerkte, wie Clarissa ihren Anorak anzog und ihrer jungen Freundin nach draußen folgte. Die vielen Huskys, die vor ihren Schlitten im Schnee lagen, begrüßten sie mit leisem Jaulen. Etwas weiter entfernt standen zwei Pferde mit dem großen Schlitten, den E. T. Barnette für den Transport zum Roadhouse zur Verfügung gestellt hatte. Im Lichtschein der erleuchteten Fenster rieselten Schneeflocken vom Himmel.
Betty-Sue stand nur wenige Schritte entfernt unter einigen Bäumen und blickte nach Süden. Sie rang die Hände unter ihrem Kinn und weinte leise, längst hatte sie begriffen, dass Matthew nicht mehr erscheinen würde. Sie starrte angestrengt nach Süden, als könnte sie ihn allein durch ihren Willen herbeizaubern, doch in der Dunkelheit war keine Bewegung zu erkennen.
»Er hat mir versprochen zu kommen«, sagte sie, ohne Clarissa anzublicken. »Wir wollten den Leuten zeigen, dass wir zusammengehören.« Sie wirkte trotzig wie ein junges Mädchen. »Wir haben das Versteckspiel satt … und wenn mir die Regierung dreimal kündigt. Das macht mir nichts aus!«
Clarissa berührte ihre Freundin am Oberarm. »Vielleicht ist es besser, wenn er nicht kommt. Sid Gillespie hat viele Leute mit seinen Reden aufgewiegelt, auch unter den Gästen sollen einige sein, die nichts mit Indianern zu tun haben wollen. Es hätte nur böses Blut gegeben.« Sie schloss Betty-Sue in die Arme und strich ihr sanft über die Haare, als sie einen Weinkrampf bekam. »Beruhige dich, Betty-Sue! Matthew meint es bestimmt nicht böse. Er will nur einen Streit vermeiden. Mit seiner Liebe zu dir hat das nichts zu tun.«
»Indianer sind keine schlechteren Menschen«, erwiderte Betty-Sue. Ihre Tränen waren versiegt, und sie klang jetzt entschlossen und beinahe trotzig. »Nur weil sie eine andere Hautfarbe und eine andere Kultur haben, sind sie keine Wilden, die man ausrotten muss. Sie können nichts dafür, dass die Weißen in ihr Land eingedrungen sind und die Erde umgegraben haben, nur weil dort ein paar Goldkörner liegen. Bisher dachte ich immer, die Leute in der Wildnis hätten mehr Respekt vor ihnen, aber seit Gold in der Nähe von Fairbanks gefunden wurde und dieser Gillespie die Leute aufhetzt … Warum jagen die anständigen Bürger einen solchen Kandidaten nicht gleich aus der Stadt?«
»Gib ihnen etwas Zeit, Betty-Sue.« Clarissa löste sich von ihrer Freundin und versuchte, sie mit einem Lächeln aufzumuntern. »Ich bin sicher, dass Barnette noch einmal antritt, und dann erledigt sich dieses Problem von selbst. Nur … nur daran, dass sich eine weiße Krankenschwester in einen Indianer verliebt, daran werden sie sich wohl nie gewöhnen. Du riskierst deinen Arbeitsplatz, das weißt du hoffentlich. Auf dem Rückweg von Seward hab ich einen Inspektor des Civil Service getroffen. Wenn der erfährt, dass du eine Liebesbeziehung mit einem Indianer hast …« Sie schnaufte hörbar. »Konntest du dich denn nicht in einen anderen Mann verlieben, Betty-Sue?«
Ihre Freundin schüttelte heftig den Kopf. Ihr Blick war unverwandt nach Süden gerichtet und voller Sehnsucht. »Ich … ich kann nicht anders, Clarissa!«
»Matthew will nur dein Bestes und wäre bestimmt traurig, wenn er wüsste,
Weitere Kostenlose Bücher