Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
Clarissa dicht an ihren Mann. Seine Berührungen und Liebkosungen waren sanfter als beim ersten Mal nach der Operation, als hätte er Angst, sie zu verletzen, und wenn er sie küsste und mit seinen Fingerspitzen über ihren Körper strich, spürte sie so viel Zuneigung und Zärtlichkeit, dass sich ihre Augen mit Freudentränen füllten. »Ich mach dir keinen Ärger mehr!«, flüsterte er dicht an ihrem Ohr, und sie sagte: »Wenn du nach dem Ärger immer so zärtlich bist, kannst du so ärgerlich sein, wie du willst.«
Noch Minuten, nachdem er ihr bewiesen hatte, wie groß seine Liebe zu ihr war, lag sie zufrieden in seinen Armen. Alle Sorgen und Nöte schienen vergessen, kein Thomas Whittler, keine aufgebrachten Goldsucher und keine indianische Hexe störten ihre Zweisamkeit. Sie brauchten keine Leidenschaft und kein wildes Verlangen, um einander ihre Liebe zu beweisen. Wenn er so zärtlich und sanft zu ihr kam, empfand sie die Erfüllung noch sehr viel intensiver. »Ich liebe dich, Alex!«, flüsterte sie dankbar. »Ich liebe dich so sehr.«
Doch er war bereits eingeschlafen, und sie war ihm deswegen nicht böse. Er war den ganzen Tag mit den Hunden unterwegs gewesen und noch lange nicht so stark und ausdauernd wie früher. Lächelnd strich sie ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Es würde alles wieder so werden wie früher, davon war sie jetzt überzeugt. Sobald die Wunde ganz verheilt war und er sich besser im Griff hatte, würde ihr Glück wieder vollkommen sein. Sie kuschelte sich noch enger an ihn und schloss zufrieden die Augen.
Das Feuer im Ofen war bereits halb heruntergebrannt, als sie aus einem angenehmen Traum schreckte. Sie löste sich von Alex und stemmte sich auf die Unterarme. Irgendetwas störte den nächtlichen Frieden. Auch wenn kein Geräusch außer dem Bullern des Ofens und einigen zerplatzenden Harzknoten zu hören war, warnte sie ihr Bauchgefühl vor einer unbestimmten Gefahr. Hatte sie sich doch nicht getäuscht, als sie vom Roadhouse nach Hause gegangen war? Oder hatten die Begegnung mit Thomas Whittler und die Warnung vor der indianischen Hexe sie schon so nervös gemacht, dass sie eine Gefahr spürte, die es gar nicht gab? Litt sie bereits unter Halluzinationen?
Sie schwang die Beine aus dem Bett und stand leise auf. Alex wollte sie nicht wecken. Er schlief tief und fest und würde sich nur über sie lustig machen, wenn sie ihr Bauchgefühl erwähnte. Sie zog ihre Wollhose, den Anorak und die Stiefel an und stülpte sich die Pelzmütze über den Kopf. Nach einigem Überlegen griff sie nach dem Revolver, den Alex auf der Kommode neben dem Bett liegen hatte, wenn sie schliefen. In der Wildnis muss man auf alles gefasst sein, sagte er, und sie nahm ihn beim Wort, auch wenn sie drohte, sich lächerlich zu machen. So leise wie möglich schlich sie zur Tür, öffnete sie nur so weit, dass kein Windstoß hereinfuhr, und schlüpfte ins Freie.
Schon nach wenigen Schritten zog sie ihre Handschuhe aus den Anoraktaschen und schlüpfte hinein, auch wenn sie den Revolver damit kaum bedienen konnte. Es war kalt und schneite leicht. Der Wind trieb Schneefahnen über die Lichtung. Die wenigen Sterne, die zwischen den Wolken zu sehen waren, verbreiteten schwaches Licht und brachten den Schnee zum Glänzen.
Clarissa blickte sich aufmerksam um und glaubte eine Bewegung am nördlichen Waldrand zu erkennen. Abseits des Trails bewegten sich einige tief hängende Zweige so stark, dass nicht nur der Wind daran schuld sein konnte. War dort nicht ein Schatten gewesen? Hatte jemand das Haus beobachtet? Die indianische Hexe? Thomas Whittler und seine Handlanger? Die Goldsucher aus Fairbanks, die sie und ihr Mann in die Schranken gewiesen hatten?
Unmöglich, sagte sie sich, und doch lag der Revolver in ihrer rechten Hand, als sie im Schatten der Hügel auf den Waldrand zulief. Schon auf halber Strecke, als sie in die Hocke ging und lauschte, kam sie sich lächerlich vor. Sie war keine dieser schießwütigen Revolverfrauen, die in manchen Geschichten in ihrem Buffalo-Bill-Magazin unglaubwürdige Abenteuer erlebten, und sie konnte sich auch niemanden vorstellen, der so gefährlich war, dass man mit einer Waffe auf ihn losgehen musste. Frank Whittler war der einzige Mann gewesen, der es jemals auf ihr Leben abgesehen hatte. Dennoch behielt sie den Revolver in der Hand, als sie geduckt auf den nahen Waldrand zulief.
Zwischen den Bäumen blieb sie stehen. Von den Zweigen regnete ein nasser Schauer auf sie herab
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