Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
dass du hier die ganze Nacht in der Kälte rumstehst«, versuchte Clarissa ihr mit sanfter Stimme klarzumachen. »Komm wieder ins Haus. Ich mache dir einen starken Kaffee, dann geht’s dir wieder besser. Und wenn du brav bist, bekommst du einen von meinen leckeren Schokoladenkeksen.« Sie lächelte.
Sie kehrten ins Haus zurück, zogen ihre Anoraks aus und liefen dem Zeitungsmann in die Arme. »Ein Skandal!«, empfing er die junge Krankenschwester. »Aber ich werde mit meinem nächsten Leitartikel schon dafür sorgen, dass eine Ratte wie dieser Gillespie nicht die Oberhand gewinnt.« Er verbeugte sich vor Betty-Sue. »Dürfte ich Sie um den nächsten Tanz bitten?«
Betty-Sue wechselte einen raschen Blick mit Clarissa und nickte zustimmend. Kaum hatte sie ihr »Ja … gerne« gehaucht, nahm sie der Zeitungsmann in die Arme und wirbelte mit ihr über die Tanzfläche. Obwohl George M. Hill nicht gerade zu den begnadeten Tänzern gehörte und bei fast jedem Schritt auf ihre Zehen trat, stahl sich schon nach wenigen Umdrehungen ein Lächeln auf ihre Lippen, wohl auch, weil er die Wirkung seines nächsten Leitartikels an ihr studierte. Inzwischen führte sie ihn mit entschlossenen Bewegungen über die Tanzfläche, und er fand langsam den Rhythmus.
Als die Musik verklang, stieß E. T. Barnette mit einem Löffel gegen sein halb volles Whiskeyglas und kletterte auf den Hocker, von dem Dolly ihre Gäste begrüßt hatte. »Keine Angst«, rief er den verdutzten Gästen zu, »ich will Sie nicht lange aufhalten und Ihnen auch nicht die Stimmung verderben. Aber meine liebe Frau Isabelle und die meisten Anwesenden, mit denen ich heute Abend gesprochen habe, zwingen mich dazu, ein kurzes Statement abzugeben. Wie Sie alle wissen, nimmt mich die Arbeit in meinem Geschäft so in Anspruch, dass ich mich eigentlich entschlossen hatte, das Amt des Bürgermeisters niederzulegen. Die unerträglichen Hetzreden eines neuen Kandidaten, eines gewissen Sid Gillespie, der anscheinend beabsichtigt, einen neuen Indianerkrieg heraufzubeschwören, haben mich allerdings bewogen, meine Entscheidung zu überdenken. Heute gebe ich bekannt, dass ich auch dieses Jahr noch einmal als Bürgermeister kandidieren werde, und ich kann Ihnen schon jetzt versichern, dass es bei mir keinen Indianerhass geben wird. Die Bewohner von Fairbanks sind immer gut mit ihnen ausgekommen, und wir lassen uns diesen Frieden auch nicht von einem Indianerhasser wie Gillespie und seinen fanatischen Anhängern kaputt machen.« Er erhob sein Glas. »Auf die friedliebenden Bürger meiner Stadt … Es lebe Fairbanks!«
Frenetischer Beifall antwortete ihm. Lediglich einige der irischen Freunde, die Jerry mitgebracht hatte, hielten sich zurück, fielen aber zögernd ein, als der sie mit einem warnenden Blick bedachte. »Das wollten wir von Ihnen hören, E. T.«, rief Dolly begeistert, »das und nichts anderes!« Sie hob ebenfalls ihr Whiskeyglas: »Auf E. T. Barnette, unseren neuen Bürgermeister!«
Während die Leute immer noch klatschten, suchte Clarissa nach Alex und konnte ihn nirgendwo entdecken. »Hast du Alex gesehen?«, fragte sie Dolly und erntete ein verwundertes Kopfschütteln. Auch Jerry wusste nicht, wo ihr Mann abgeblieben war. »Vor ein paar Minuten stand er dort drüben am Fenster. Aber er war nicht betrunken, wenn Sie das meinen. Er hat nur einen Whiskey getrunken … wenn überhaupt. Wenn ich mich recht erinnere, ist er dann auf Kaffee umgestiegen. Ihr Mann war stocknüchtern … Ich schwöre es.«
Sofort meldete sich ihr schlechtes Gewissen. Sie hatte ihn vernachlässigt, war mit den wichtigen Bürgern der Stadt über die Tanzfläche gewirbelt, und dann war ihr Betty-Sue wichtiger als ihr eigener Mann gewesen. Und das, nachdem sie ihm erst in der letzten Nacht versprochen hatte, mehr Geduld mit ihm zu haben und nicht mehr barsch zu reagieren. Sie blickte sich noch einmal aufmerksam um, ging zu Dolly und sagte so leise, dass nur sie es hörte: »Alex hat sich aus dem Staub gemacht. Ich glaube, er sitzt in unserer Hütte und schmollt. Denk dir eine Entschuldigung aus, falls ich nicht zurückkomme.« Und als Dolly nickte: »Ich könnte mich ohrfeigen! Ich hätte doch wissen müssen, dass er empfindlich reagiert, wenn ich ihn in der Ecke stehen lasse.«
»Du hast ihn nicht stehen lassen«, widersprach Dolly. »Soweit ich weiß, kann er ganz gut mit Jerry und den Iren … Auch wenn er kaum noch trinkt.«
»Auch das macht mir Sorgen«, sagte Clarissa mit einem
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