Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
bei Betty-Sue vorbei, okay?«
Sie brauchte nicht lange nach ihrer jungen Freundin zu suchen. Sie kam ihr weinend über die Hauptstraße entgegen, ungeachtet der zahlreichen Hundeschlitten und Fuhrwerke, die ihr dort entgegenfuhren. »Betty-Sue!«, rief sie schon von Weitem. Sie parkte den Schlitten am Straßenrand, rannte auf Betty-Sue zu und zog sie unter ein Vorbaudach. »Betty-Sue! Willst du unbedingt überfahren werden? Komm von der Straße runter, und beruhige dich erstmal!«
»Der Inspektor …« Sie schluchzte. »Der Inspektor hat … er hat mir …«
»Er hat dir gekündigt, das war doch abzusehen.« Sie nahm die Freundin in die Arme und strich ihr tröstend über den Kopf. »Und wie ich dich kenne, hast du ihm ordentlich die Meinung gesagt, bevor du ihn aus dem Krankenhaus gejagt hast. Dass er keine Ahnung von Indianern hätte, dass die Hautfarbe eines Menschen keine Rolle spielen würde und dir niemand vorschreiben dürfte, mit wem du dich einlässt, schon gar nicht ein Städter wie er …«
»… ein arroganter Städter wie er«, verbesserte sie. Sie löste sich von ihr und konnte schon wieder lächeln. »Und dass es wenig christlich von einem Vertreter der amerikanischen Regierung wäre, sich so über Indianer zu äußern.«
Clarissa blickte sie erstaunt an. »Das hast du ihm gesagt?«
»Das … und noch einige Sachen mehr, aber da hatte er das Krankenhaus schon verlassen, und der Einzige, der mich hören konnte, war Doc Boone.«
»Und was sagt er dazu?«
»Dass er den Inspektor genauso wenig leiden könnte wie ich, und dass ich vollkommen recht hätte, aber ihm wären leider die Hände gebunden, und er müsste sich an die Anweisungen des Civil Service halten, wenn er weiter staatliche Zuwendungen erhalten wollte.« Sie zog ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich kräftig. »Doc Boone hat mir den Lohn für den ganzen Monat ausbezahlt. Und ich darf bis Ende des Monats im Krankenhaus wohnen bleiben. Er ist wirklich ein großzügiger Mann, doch wenn es um die Indianer geht, lässt er nicht mit sich reden. Er sagt, Indianer wären keine Amerikaner.«
»Nach dem Gesetz vielleicht nicht.«
»Aber sie waren vor uns Weißen hier!«
Clarissa wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. »Nach der Bürgermeisterwahl würde ich mal mit Barnette reden. Wenn dich die Stadt bezahlt, könntest du die Indianerdörfer vielleicht als unabhängige Krankenschwester betreuen. Die Indianer haben Vertrauen zu dir, das würde sich auf das Klima zwischen Weißen und Indianern auswirken.« Sie lächelte aufmunternd. »Und wenn alle Stricke reißen, könntest du immer noch im Roadhouse anfangen.«
»Das ist sehr nett von euch, aber ich bin Krankenschwester. Ich habe einen großen Teil meines Lebens damit verbracht, anderen Menschen zu helfen, und möchte das auch weiterhin tun. Selbst dann, wenn mich überhaupt niemand bezahlt. Matthew und ich werden immer was zu essen haben. Er ist der beste Jäger seines Stammes. Er könnte als Fallensteller wie Alex arbeiten.«
»Weißt du inzwischen, wo er ist?«
»Nein, aber am Samstag wird er hier sein, da bin ich ganz sicher. Er hat mir versprochen, beim Alaska Frontier Race mitzumachen. Wir haben uns erkundigt. In den Statuten steht nichts davon, dass die Teilnahme für Indianer verboten ist. Er will den Goldsuchern zeigen, wozu er fähig ist.«
»Das könnte gefährlich werden.«
»Wegen Gillespie und seinen Anhängern?«
»Wenn sie wieder randalieren …«
»… verhaftet sie der Deputy U.S. Marshal. Der würde Männer wie Casey und King sofort einsperren. Jetzt herrschen Recht und Ordnung in Fairbanks.«
Clarissa dachte an die Reaktion von Novak, als sie ihm den Zettel mit der Warnung gezeigt hatte, und war sich nicht sicher. »Ich würde die Leute nicht unnötig provozieren, Betty-Sue. Sag Matthew, er soll sich zurückhalten.«
»Zurückhalten?«, brauste Betty-Sue auf. »Wir haben uns lange genug zurückgehalten. Ich will kein Versteck mehr spielen. Was ist denn schon dabei, wenn sich eine Weiße und ein Indianer lieben?« Sie sprach so laut, dass Clarissa ihr am liebsten den Mund zugehalten hätte. »Hier draußen gelten andere Gesetze, das sollte auch der Civil Service kapieren. Oder hast du schon mal gehört, dass sich jemand aufregt, wenn ein Weißer eine Indianerin zur Frau nimmt? Der kann fünf Squaws in seiner Hütte haben, aber wenn ich …« Sie winkte wütend ab. »Ach, es ist alles so verfahren, Clarissa. Am liebsten würde ich mit Matthew
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