Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
Weg.
Es war wohl die Wut, die sich während der letzten Stunden in ihr aufgestaut hatte, die sie bis auf zwei Schritte an die Männer herantrieb. »Mister Smith!«, fuhr sie den blassen Mann in seinem langen Mantel an. »Und Sie müssen der Indianer sein, den man Raven nennt. Ich wollte Ihnen nur sagen, dass es sich nicht auszahlt, für einen Whittler zu arbeiten. Frank Whittler erschoss seine beiden Komplizen, weil er das Geld aus dem Bankraub nicht mit ihnen teilen wollte. Und wie ich Thomas Whittler kenne, will er auch keine Zeugen für seine Missetaten haben. Oder meinen Sie, er riskiert, dass Sie vor Gericht gegen ihn aussagen? Sie müssten Ihren Boss doch besser kennen.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Ma’am«, erwiderte Smith, sich der Tatsache bewusst, dass bereits etliche Passanten stehen geblieben waren und ihnen zuhörten. »Wir haben nichts mit Mister Whittler zu schaffen, außer dass wir beim Bau der Eisenbahn für seine Sicherheit verantwortlich sein werden.«
»Ach ja? Und wer hat unser Blockhaus angezündet? Haben Sie mich während des Rennens nicht mit der Waffe bedroht und zu Ihrem Boss geschleppt? Zu Thomas Whittler?« Sie sprach den Namen so laut aus, dass ihn alle hören konnten. »Er will mich kleinkriegen und hat selbst zugegeben, dass er Sie angeheuert hat. Er will mich zu zwingen, für seinen Sohn auszusagen. Wie weit wollen Sie gehen? Werden Sie mich beim nächsten Mal foltern?« Sie blickte den Indianer an. »So wie es Ihre Vorfahren mit ihren Feinden getan haben?«
»Ich glaube, Sie verwechseln uns, Ma’am«, blieb John Smith cool. Es bedurfte wohl schärferer Munition, um ihn aus der Ruhe zu bringen. »Wir arbeiten als Leibwächter für Thomas Whittler. Wir sind für seine Sicherheit verantwortlich und beaufsichtigen den Sicherheitsdienst der Alaska Central Railroad. Wir haben Sie weder zu unserem Boss geschleppt noch Ihr Blockhaus angezündet. Ich weiß nicht einmal, wer Sie sind. Ich verstehe Ihre Wut. Wenn Ihr Haus abgebrannt ist, haben Sie ein Recht dazu, wütend zu sein. Aber ich verwehre mich gegen den Vorwurf, als Brandstifter beschimpft zu werden.«
Er war ein hartgesottener Bursche, der wohl selbst in der kritischsten Situation einen klaren Kopf behielt und sich dazu noch auszudrücken wusste. Ein Killer, der sich hinter der Maske eines gepflegten Gentleman verbarg und den schweigsamen Indianer neben sich nur akzeptierte, weil er für denselben Auftraggeber arbeitete. An der Reaktion einiger Passanten merkte sie, dass er damit bei vielen Leuten ankam. Einige blickten sie bereits vorwurfsvoll an.
John Smith lächelte siegesgewiss. »Wenn Sie uns jetzt bitte entschuldigen wollen, Ma’am. Wir haben noch einiges mit Mister Whittler zu besprechen, bevor der Schnee schmilzt und wir endlich mit dem Bau beginnen können.«
Die beiden Männer ließen sie wie ein dummes Schulmädchen stehen, der Weiße mit einem spöttischen Lächeln, der Indianer mit stoischer Miene, und sie lief zu allem Unglück auch noch rot an und kam sich inmitten der vielen Passanten, die inzwischen stehen geblieben waren, ziemlich lächerlich vor,
Wütend auf sich selbst, weil sie sich von den beiden Männern hatte provozieren lassen, kehrte sie zu ihrem Schlitten zurück. Sie fuhr am Krankenhaus vorbei und wechselte einige Worte mit Doc Boone, der sich nicht gerade begeistert von der Pferdesalbe zeigte und Alex stattdessen empfahl, seinen Fuß hochzulegen und mit Eis zu kühlen. »Er muss vor allem Geduld haben, aber das scheint nicht gerade seine Stärke zu sein«, sagte der Doktor lächelnd.
Betty-Sue war nicht in der Nähe, und da Clarissa das Roadhouse möglichst noch bei Tageslicht erreichen und Alex nicht zu sehr brüskieren wollte, machte sie sich gleich auf den Weg und trieb die Huskys aus der Stadt hinaus. Sie bemerkte weder John Smith, der hinter dem Fenster des Hotels stand und einige Worte mit Thomas Whittler wechselte, noch den US Marshal, der vor seinem Büro an einem Vorbaupfosten lehnte und ihr besorgt nachblickte.
22
Alex war nicht gerade erfreut, dass sie allein nach Fairbanks gefahren war, hielt sich aber zurück und schwor lediglich, sich Thomas Whittler und seine beiden Wachhunde »zur Brust zu nehmen«, sobald er wieder laufen konnte. Viel schwerer fiel es ihm, im Haus herumzusitzen und den verstauchten Fuß auf einen Stuhl zu legen und den wehen Knöchel in ein Handtuch mit zerstoßenem Eis zu packen, wie es Doc Boone empfohlen hatte. »Und was soll ich den ganzen Tag
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