Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
fahrlässig, wenn er sich bei einer so brisanten Story nur auf Gerüchte verlassen würde. Solange Sie keine handfesten Beweise haben, kann ich leider nichts für Sie tun.«
Clarissa hatte sich mehr erhofft. »Sie reden schon wie der Marshal.«
»Ich kann lediglich schreiben, dass man Brandstiftung bei einem solchen Feuer niemals ganz ausschließen kann. Und ich könnte natürlich auch erwähnen, dass Sie einen so miesen Anschlag nur Frank Whittler zugetraut hätten, der aber glücklicherweise für den Rest seines Lebens im Gefängnis sitzt.«
Ihr Gesicht hellte sich auf. »Das würde mir schon genügen, Sir … George … und es wäre nicht mal gelogen. Nur ein kleiner … Seitenhieb. Und Sie bräuchten keine Angst vor Whittler zu haben, weil Sie mich nur zitieren würden.«
»Es sei denn, er gründet selbst eine Zeitung.«
»Thomas Whittler? Der hat jetzt andere Sorgen. Die Berufung seines Sohnes, die Telegrafenlinie nach Eagle, die Alaska Central Railroad … Der wird den Teufel tun und eine Zeitung herausgeben. Er bietet Ihnen vielleicht Geld oder schaltet eine Anzeige … Sie lassen sich doch nicht etwa einschüchtern?«
Der Zeitungsmann lächelte verschmitzt. »Der Einzige, der mich jemals eingeschüchtert hat, war mein Vater, als er mit seinem Ledergürtel vor mir stand. Ich hatte ihm einen halben Dollar geklaut und mir dafür ein Buch von Mark Twain gekauft. Zum Glück hatte ich es schon gelesen, als er es mir wegnahm. Als Zeitungsmann lasse ich mich nicht einschüchtern. Bei den Rocky Mountain News wollte mir ein Rancher die Nase einschlagen, weil ich was Gutes über Farmer geschrieben hatte. Es hätte nicht viel gefehlt, und der Chef hätte mich rausgeworfen, aber … nun ja, das ist eine lange Geschichte. Sie müssen wissen, ich war kurzzeitig mit einer Farmerstochter verheiratet.«
Sie blickte ihn überrascht an. »Das wusste ich ja gar nicht.«
Der Zeitungsmann kaute verlegen auf seinem Bleistift herum. Anscheinend bereute er schon, etwas über sein Privatleben preisgegeben zu haben. »Ich könnte noch etwas für Sie tun«, wechselte er rasch das Thema. »Wie wär’s, wenn wir eine Kampagne starten, einen Spendenaufruf für den operierten Fallensteller und seine tapfere Frau, die bei einem Feuer ihr Hab und Gut verloren. Wir würden ein besonderes Konto bei der Bank einrichten und …«
»Ich brauche keine Almosen«, unterbrach ihn Clarissa barsch. »So groß war unser Besitz nicht, dass wir deswegen sammeln müssten. Es gibt genügend Menschen in Fairbanks, die wesentlich ärmer dran sind als wir. Die Indianer zum Beispiel. Warum starten Sie keinen Spendenaufruf für sie?«
»Sie wissen, was das für Ärger gäbe.«
»Das ist wahr«, räumte sie ein.
»Dann nehmen Sie wenigstens ein Geschenk von mir.« Er zog eine Schublade auf und reichte ihr das neueste Buffalo Bill Magazine. Eine illustrierte Sonderausgabe. »Hab ich mir gestern erst geholt. Ich hab es schon gelesen.«
Sie griff nach dem Heft. »Woher wissen Sie denn …«
»… dass Sie ein Faible für den Wilden Westen haben und diese Hefte lesen?« Er lächelte. »Ein Zeitungsmann weiß alles … nun ja … fast alles.«
Clarissa war bereits aufgestanden, um sich zu verabschieden, als sie zufällig aus dem Fenster blickte und zwei Männer über die Hauptstraße gehen sah: den Mann, der sich John Smith nannte, und den Indianer. Im ungewohnt hellen Sonnenlicht waren sie deutlich zu erkennen. John Smith hatte seinen Pelzmantel gegen einen ebenso langen Regenmantel getauscht und trug einen breitkrempigen Hut, der sein blasses Gesicht fast völlig verdeckte, und der Indianer war wie ein Holzfäller gekleidet und trug eine einfache Hose und eine Wolljacke über seinem karierten Hemd. Seine langen Haare hatte er im Nacken mit einer Lederspange zusammengehalten. Beide hatten Revolver hinter den Gürteln stecken und trugen Gewehre, wie zwei Revolvermänner in dem Buffalo-Bill-Heft, das sie gerade vom Zeitungsmann bekommen hatte.
»Auf Wiedersehen, Mister … George«, sagte sie schnell.
Sie verließ das Büro und lief den Männern entgegen. Wenn sie die beiden zur Rede stellen wollte, dann am besten auf der belebten Hauptstraße, wo genug Zeugen herumliefen und sie auf keinen Fall versuchen würden, ihr etwas anzutun. Ihr war gar nicht bewusst, welches Risiko sie einging, und sie würde sich noch viele Wochen später darüber wundern, den beiden ihre Meinung gesagt zu haben. Selbst hartgesottene Männer gingen den beiden lieber aus dem
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