Clarissa Alaska-Saga 04 - Allein durch die Wildnis
haben.« Er fluchte unterdrückt. »Jetzt weiß ich wenigstens, wie sich ein Biber fühlt, wenn er in eine meiner Fallen tritt.«
Dolly lachte. »Der hat auch keine Pferdesalbe. Du wirst sehen, das Zeug wirkt wahre Wunder. In spätestens drei Tagen, nun ja, sagen wir in einer Woche, spürst du kaum noch was. In Kentucky heilen sie Rennpferde damit.«
»Sehe ich vielleicht wie ein Rennpferd aus?«
»Wie ein müdes Rennpferd«, verbesserte Dolly fröhlich. »Solange ihr kein Dach überm Kopf habt, könnt ihr bei uns im Roadhouse schlafen. Wenn’s sein muss, auch bis in alle Ewigkeit. Euch gehört das Roadhouse genauso wie Jerry und mir. Okay, wir haben ein paar Dollar mehr drinstecken, aber wenn Clarissa weiter so schuftet, seid ihr bald bei fünfzig Prozent … Mindestens.«
»Zuerst muss ich meine Schulden abbezahlen«, erwiderte Clarissa.
Beim Roadhouse angekommen, nahm ihr Jerry das Versorgen der Hunde ab, und sie kümmerte sich um ihren Mann. Sie bestrich den verstauchten Knöchel mit der Pferdesalbe, die Dolly bei einem fahrenden Händler gekauft hatte und noch einmal in höchsten Tönen anpries, und legte einen festen Verband an. Mit den Krücken, die einer von Jerrys irischen Freunden vergessen hatte, humpelte Alex ins Gästezimmer und ließ sich aufs Bett fallen. Er war viel zu schwach, um sich auszuziehen, und schlief nach wenigen Minuten ein.
Clarissa sank neben ihm aufs Bett, kroch aber schon am frühen Morgen aus den Federn, wusch sich und zog sich hastig an. Nachdem sie frisches Brennholz in den Ofen im Gästezimmer und den Herd in der Küche geworfen hatte, setzte sie Teewasser auf und schob ein paar Biskuits in den Backofen.
»Und ich dachte, du schläfst erst mal richtig aus nach dem Schrecken«, begrüßte sie Dolly, die ebenfalls eine Frühaufsteherin war und sich bereits um ihre Hunde gekümmert hatte. Sie blieb stehen. »Du willst doch nicht weg?«
»Ich muss.« Sie nahm die heißen Biskuits aus dem Ofen und legte sie mit spitzen Fingern auf einen Teller. Dolly goss den Tee auf. »Alex und ich brauchen neue Unterwäsche und ein paar andere Kleinigkeiten, und ich will Anzeige erstatten. Oder meinst du, ich lasse Whittler diese Schweinerei durchgehen?«
»Du hast keine Beweise«, gab Dolly zu bedenken. »Du kannst nicht mal beweisen, dass es Brandstiftung war. Der Marshal hat nichts in der Hand. Whittler lacht ihn aus, wenn er versucht, ihm Handschellen anzulegen.«
Clarissa nickte betrübt. »Ich weiß, aber ich muss es wenigstens versuchen. Selbst ein reicher Bonze wie Whittler kann hier nicht machen, was er will. Irgendjemand muss ihm auf die Füße treten, sonst treibt er hier das gleiche Spiel wie damals in Kanada.«
»Übertreib’s aber nicht«, warnte Dolly eindringlich. »Du weißt, wie gemein diese Whittlers sein können. Ich hab keine Lust, auf deine Beerdigung zu gehen. Es reicht schon, dass wir den armen Matthew begraben mussten.«
»Soll ich vielleicht für Frank Whittler aussagen? Was meinst du, was der tut, falls er freikommt? Aus Dankbarkeit vor mir auf die Knie gehen? Mir einen Kranz flechten? Dem Schweinehund traue ich alles zu! Drei Morde hat er schon auf dem Gewissen … Der schlägt auch ein viertes Mal zu!«
Clarissa beeilte sich mit dem Frühstück. Sie wollte unterwegs sein, bevor Alex aufwachte und darauf bestand, mitzufahren und dem Marshal selbst seine Meinung zu sagen. In seinem Zustand war das zu gefährlich. Wenn er die Nerven verlor und handgreiflich wurde, landete er hinter Gittern, außerdem war er mit dem verletzten Fuß nicht beweglich genug und würde sie nur unnötig aufhalten. Eine Erklärung, die er sicher nicht akzeptieren würde.
Über den Hügeln zeigte sich bereits ein rötlicher Schimmer, als sie die Huskys anspannte und aufbrach. Das Ende des Winters stand unmittelbar bevor, die Tage wurden länger. Die Temperaturen lagen nur noch wenige Grad unter null. Sobald die Flüsse aufbrachen, würde sie mit dem Kanu nach Fairbanks fahren oder sich das Pferdefuhrwerk ausleihen müssen, das Jerry vor einigen Wochen aus der Stadt mitgebracht hatte. An den sonnigen Stellen war der Schnee bereits feuchter geworden, und sie kam nicht mehr so zügig voran wie noch vor wenigen Tagen, als der Schnee in der eisigen Luft gefroren war.
Über Fairbanks leuchtete sogar die Sonne. Sie fuhr die Hauptstraße hinab und hielt vor dem Büro des Marshals. »Ah … Mrs. Carmack«, empfing sie der Deputy U.S. Marshal mitfühlend. »Ich hab schon gehört, was passiert
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