Clarissa - Wo der Himmel brennt
Möglichkeit, ihn von ihrer Unschuld zu überzeugen. »Clarissa Carmack«, antwortete sie zögernd. Sie wartete einen Augenblick, versuchte in seinen Augen zu ergründen, ob ihn der Name an irgendetwas erinnerte, aber sein freundliches Lächeln blieb, und sie wiederholte: »Ich heiße Clarissa Carmack, Inspector.«
Er beugte sich vor, und wieder erschien dieses humorvolle Blitzen in seinen Augen. »Wie eine Schmugglerin sehen Sie nicht aus, Ma’am, und wie jemand, der monatelang in der Erde nach Gold buddelt, auch nicht. Was hat Sie in die Wildnis getrieben? Und warum wollten Sie vor mir weglaufen?«
Sie erzählte ihm die halbe Wahrheit. »Ich will zu meiner Freundin Dolly nach Dawson. Sie hat vor einigen Wochen ihren Mann verloren. Wir wollen uns zusammen etwas aufbauen, vielleicht ein Lokal eröffnen.« Der Gedanke war ihr während des Redens gekommen. »Ich habe mir einen indianischen Führer genommen …« Sie berichtete wahrheitsgemäß, wie der Indianer sie in die Irre geführt, sie bewusstlos geschlagen und bestohlen hatte. »Als ich aufwachte, war alles weg … Meine Ersparnisse, mein Proviant, der Rucksack mit meinen Kleidern … Ich dachte, er kommt zurück, als ich einen Mann auf einem Schlitten sah.« Während sie sprach, wurde ihr erneut bewusst, in welch misslicher Lage sie sich befand, auch wenn er nichts von dem Haftbefehl gegen sie zu wissen schien, und dass sie nur noch das besaß, was sie am Körper trug. Sie rieb sich einige Tränen aus den Augen. »Er hat mir alles genommen. Wahrscheinlich muss ich froh sein, dass er mich nicht umgebracht hat.«
Sherburne nahm ihr den Teller und den Becher ab und stellte beides auf den Nachttisch. »Das ist leider nicht das erste Mal, dass uns so etwas zu Ohren kommt, Ma’am. Bisher dachten wir, Soapy Smith und seine Bande steckten dahinter, aber es gibt wohl Leute, Indianer und Weiße, die seine Tradition fortführen wollen. Der kanadischen Polizei sind leider die Hände gebunden, unsere Autorität reicht nur bis zur Grenze. Für die Verbrechen, die auf amerikanischer Seite begangen werden, ist US Deputy Marshal Tanner zuständig.«
»Und der steckte selbst mit Soapy Smith unter einer Decke, erzählt man in Skaguay.« Sie seufzte bekümmert. »Wäre ich doch bloß im Herbst mit Dolly nach Dawson gegangen. Sie hatte verlässliche Männer dabei und brauchte wenigstens keine Angst haben, unterwegs ausgeraubt zu werden.« Sie sank langsam auf ihr Kissen zurück und schien erst jetzt zu erkennen, welche fatalen Folgen der Überfall für sie hatte, selbst wenn die North West Mounted Police sie nicht festnahm. »Wie soll ich jetzt bloß nach Dawson kommen?«
Sherburne winkte ab. »Darüber würde ich mir im Augenblick noch keine Sorgen machen. Ruhen Sie sich erst mal richtig aus, dann sehen wir weiter.« Sein Blick wurde forschender, und sein Tonfall veränderte sich etwas, als er fragte: »Und warum sind Sie nicht zusammen mit Ihrer Freundin nach Dawson gegangen, wenn ich fragen darf? Im Herbst war der Yukon noch frei.«
Aus unerfindlichen Gründen zögerte sie, ihm von Alex zu erzählen. Weil sie inzwischen selbst daran zweifelte, dass ihr Mann noch am Leben war? Weil sie Angst hatte, der Name könnte ihn darauf bringen, dass sie mit einem Haftbefehl gesucht wurde? »Mein Mann ist verschollen«, rückte sie schließlich doch mit der Wahrheit heraus. Sie berichtete ihm vom seltsamen Verschwinden ihres Mannes, und dass sie bis zum Wintereinbruch gehofft hatte, er könnte vielleicht doch noch zurückkehren. »Er ist ein harter Bursche, wissen Sie? Ein Fallensteller. So leicht lässt er sich nicht ins Bockshorn jagen.«
»Das kann ich mir vorstellen.« In der Stimme des Mounties schwang etwas mit, das sie nicht zu deuten wusste. »Wer Sie heiratet, muss ein ganzer Mann sein.« Er schwieg eine Weile und wirkte plötzlich beinahe verlegen. »Und jetzt? Glauben Sie immer noch, dass Ihr Mann lebt?«
»Es spricht nicht viel dafür, oder?«, erwiderte sie.
Sherburne wollte ihr weder zustimmen noch widersprechen. »Wir werden sehen, Ma’am. Zuerst einmal müssen Sie wieder gesund werden. Und dann …« Sein Gesicht hellte sich auf. »… dann würde ich Ihnen gern einen Vorschlag machen, dem Sie hoffentlich zustimmen werden. Aber zuerst einmal müssen Sie gesund werden. Möchten Sie noch etwas Kaffee, Ma’am?«
Auch sie lächelte wieder. »Lieber nicht, Inspector.«
»Paul … Sagen Sie Paul zu mir.«
»Clarissa«, erwiderte sie.
Sie erholte sich schnell, was
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