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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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hob sich bedrohlich gegen den hellen Schnee ab.
    In Erwartung eines zweiten Schusses ging Clarissa tief in die Knie, als könnte sie auf diese Weise der tödlichen Kugel ausweichen. Direkt vor ihr lag der reglose Körper des Mounties. Seine Schläfe war blutig, die Augen geschlossen, und sie bezweifelte, dass sein Herz noch schlug. »Paul! Paul!«, rief sie verzweifelt. »Es tut mir leid, Paul!« In ihrer Panik glaubte sie, allein schuld an dem heimtückischen Überfall zu sein. Nur ihretwegen war der Fremde hier, nur sie würde ihm die Belohnung bringen. Aber er musste sie lebend erwischen. Vielleicht hatte sie doch noch eine Chance. Aber was war, wenn er sie verwundete? Ihre Gedanken rasten, ließen alles verschwimmen.
    Weg hier, nur weg, er darf mich nicht erwischen. Wenn ich die Hütte erreiche, kann ich mich vielleicht verteidigen. Ich habe meinen Revolver wieder, fünf oder sechs Schuss habe ich auf jeden Fall. Vielleicht ist die Wunde nicht so schlimm, und Paul ist doch noch am Leben, dann kann ich ihn verarzten, und er wacht wieder auf. Er hat ein Gewehr. Wenn ich den Fremden lange genug aufhalte, kann er mir helfen. »Paul! Du darfst nicht sterben, hörst du? Halte durch, Paul! Wir schaffen es bis zur Hütte! Gleich sind wir da!«
    Sie brauchte die Hunde nicht anzufeuern. Sie hatten selbst gemerkt, in welcher tödlichen Gefahr sie sich befanden, und rannten so schnell sie konnten. Mit vorgereckten Schnauzen stoben sie durch die Schneewehen, die Augen auf die Felsen und den Waldrand gerichtet. Clarissa blieb geduckt, wartete immer noch auf den zweiten Schuss, der seltsamerweise ausblieb, verlor beinahe das Gleichgewicht, als der Schlitten über eine Bodenwelle holperte, und richtete sich wieder auf. Immer noch in Panik, aber nicht mehr von Angst betäubt und jetzt entschlossener, trieb sie die Hunde durch das Tal. Der Fahrtwind blies ihr eisig ins Gesicht und brachte ihre Augen zum Tränen.
    Die Felsen und der Waldrand waren bereits dicht vor ihr, noch ein paar Sekunden, dann hatten sie es geschafft. Sie drehte sich nicht um, wollte nicht in die Mündung des Gewehres sehen, wenn er auf sie feuerte. Doch sie hörte seine lauten Anfeuerungsrufe, sein »Heya! Heya!« und »Vorwärts!«. Er verfolgte sie, und er konnte einen Schlitten steuern, sonst hätte er es nicht in diese abgelegene Wildnis geschafft. Frank Whittler hatte sich den richtigen Mann für die Drecksarbeit ausgesucht. »Bring mir die Schlampe her!«, hatte er ihm wohl gesagt. »Wie du es machst, ist mir völlig egal, aber bring sie her! Und denk dran: Dein Geld bekommst du nur, wenn sie noch am Leben ist!«
    Dieser Mann ging über Leichen. Er hatte den Mountie erschossen, um einen unliebsamen Zeugen loszuwerden, und glaubte wohl, leichtes Spiel mit ihr zu haben, wenn sie allein war. Aber da hatte er sich mächtig getäuscht!
    Sie hatte ihr Selbstvertrauen wiedergewonnen, und obwohl sie ahnte, dass sie tatsächlich gegen einen Mann wie den Kopfgeldjäger nicht ankam, war sie fest entschlossen, ihm Paroli zu bieten. »Zur Hütte! Beeilt euch!«, rief sie den Hunden zu, als sie endlich zwischen den Felsen waren und der Wald zum Greifen nahe schien. Als erwartete sie, so kurz vor dem Waldrand doch noch von einer Kugel getroffen zu werden, duckte sie sich erneut, schrie vor Wut und Verzweiflung und atmete zum ersten Mal auf, als sie endlich im Wald und von dichten Schwarzfichten umgeben waren.
    Zwischen den Bäumen war es bereits Nacht, und das einzige Licht kam von dem Schnee, der auch hier relativ hoch lag. Der Trail wand sich durch das Unterholz und war einigermaßen deutlich zu erkennen. An einigen Stellen waren sogar die Spuren eines anderen Schlittens zu sehen, der vor ein oder höchstens zwei Tagen hier durchgekommen war. Vielleicht ist der Mann noch in der Hütte, hoffte sie, ein anderer Mountie oder ein Fallensteller, der mir helfen kann. Aber als das Blockhaus auf einer Lichtung auftauchte, brannte kein Licht, und vor der Tür parkte kein Schlitten, und es lagen auch keine Huskys draußen.
    Vor dem Brennholz, das neben der Tür gestapelt lag, bremste sie den Schlitten. Sie rammte den Anker in den Schnee und öffnete die Tür, blickte in den dunklen Raum und rannte zum Schlitten zurück. Sherburne stöhnte leise, kam anscheinend wieder zu sich. »Gott sei Dank, Sie leben!« Sie wuchtete ihn von der Ladefläche und zerrte ihn zum Haus, packte ihn unter den Armen und zog ihn in die Hütte. Die Angst vor ihrem Verfolger verlieh ihr Kräfte, die

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