Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
Vom Netzwerk:
trotz seines Alters wenig Erfahrung mit Frauen hatte, und Clarissa, weil sie Alex noch immer in ihrem Herzen trug und sich schon schuldig fühlte, wenn sie nur freundschaftliche Gefühle für einen anderen Mann hegte. Für sie war Alex noch nicht gestorben.
    »Wenn Sie wollen, können Sie mal fahren«, schlug Sherburne vor, nachdem er die Feldflasche im Vorratssack verstaut hatte. »Ich wollte immer schon mal spazieren gefahren werden, und dass Sie mit meinen Hunden zurechtkommen, haben Sie mir ja schon auf eindrucksvolle Weise bewiesen.«
    Clarissa hatte gehofft, dass er sie fahren lassen würde, und nahm das Angebot begeistert an. Es war ein wesentlich größeres Vergnügen, auf dem Trittbrett zu stehen und den Schlitten zu steuern, als eingepackt wie eine Mumie auf der Ladefläche zu sitzen. »Heya, heya«, trieb sie die Huskys an, »jetzt zeigen wir diesem Mountie mal, was wir können.« Sie wunderte sich selbst darüber, dass sie schon wieder lachen konnte, und vergaß für einen Augenblick sogar, dass sie noch lange keinen Grund hatte, sich zu freuen.
    Der Trail war jetzt anspruchsvoller, führte mal steil bergauf, dann wieder bergab und wand sich durch die Ausläufer eines Bergmassivs, das sich nordöstlich von ihr in den Wolken zu verlieren schien. Eisige Gletscher reichten bis tief in die Täler hinab und spiegelten sich im fahlen Tageslicht. An den felsigen Hängen klebten dichte Schneefelder. Der Ausblick war so beeindruckend, selbst für sie, die sie in ihrer ehemaligen Heimat vor dem Mount Robson und anderen Bergriesen gestanden hatte, dass sie für einen Moment abgelenkt war und beinahe den Musher übersah, der ihnen auf dem Trail entgegenkam. Gerade noch rechtzeitig brachte sie den Schlitten zum Stehen.
    Sie erkannte den Mann sofort, und auch Sherburne hatte ihn schon mal gesehen. Er gehörte zu den Indianern, die Goldsuchern gegen Bezahlung halfen, über den Pass und nach Dawson City zu kommen. »Slocum Joe!«, riefen sie fast gleichzeitig, und der Mountie wunderte sich: »Was tust du denn hier? Ich dachte, du lässt inzwischen die jungen Männer arbeiten.«
    Slocum Joe sicherte seinen Schlitten und nahm einen Rucksack vom Schlitten. Seine Kapuze war nach hinten gerutscht, und seine Haare glänzten genauso weiß wie der Schnee. »Ich wusste, dass ich dich hier finden würde«, sagte er zu Clarissa, ohne ihr zu verraten, woher er dieses Wissen nahm. »Ich bringe dir die Sachen zurück, die dir einer meiner jungen Männer gestohlen hat. Ich will seinen Namen nicht mehr aussprechen, denn wir haben ihn ausgestoßen, und wenn er stirbt, wird seine Seele ewig in der Dunkelheit wandern. Ich hätte wissen müssen, dass er was Böses im Schilde führt. Er gehört zu den wenigen Kriegern, die genauso goldgierig wie die Weißen sind.«
    »Ich danke dir, Slocum Joe«, sagte sie und nahm den Rucksack entgegen. Als sie ihn öffnete, sah sie, dass er ihre Kleider und den Revolver enthielt. Den Lederbeutel mit dem Gold suchte sie vergeblich. Sie blickte ihn fragend an.
    »Ich weiß«, las der alte Indianer ihre Gedanken, »der Beutel mit dem Gold fehlt. Er hatte alles ausgegeben, als ich ihn fand. Es tut mir leid, weiße Frau.«
    »Es ist gut, Slocum Joe. Ich danke dir.«
    Der Indianer nickte ihr und dem Mountie zu und lenkte seinen Schlitten an ihnen vorbei. Clarissa verstaute den Rucksack auf der Ladefläche. »Er ist ein guter Mann«, sagte sie. »Wenn alle so wären, bräuchten wir keine Mounties.«
    »Und ich wäre arbeitslos«, erwiderte Sherburne grinsend.

35
    Am späten Nachmittag erreichten sie den Yukon River. Eine dicke Eisschicht bedeckte den Fluss und glänzte im schwachen Licht der Sonne, die nur schemenhaft hinter den Wolken zu sehen war und bereits hinter den schneebedeckten Bergen versank. Der breite Strom wirkte ähnlich erhaben wie das Meer, auf dem Clarissa während ihrer Jugend zu Hause gewesen war und nie die Ehrfurcht vor der endlosen Wassermasse verloren hatte. Der Yukon war der größte und längste Fluss des Hohen Nordens, ein majestätischer Strom, der in den Gletschern auf der kanadischen Seite entsprang, sich quer durch Alaska wälzte und erst im fernen Nordwesten ins Polarmeer mündete. Ein majestätischer Fluss, über den sie so viele Geschichten gehört hatte, dass sie unwillkürlich den Schlitten anhielt und staunend auf die Eismassen blickte.
    »Deswegen wollte ich, dass man mich in den Hohen Norden versetzt«, sagte Sherburne. Er sprach mit gedämpfter Stimme, aus Ehrfurcht vor dem

Weitere Kostenlose Bücher