Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
Vom Netzwerk:
sie nie in sich vermutet hätte. Sie ließ ihn auf dem Boden liegen, rannte noch einmal zum Schlitten, holte die Decken, sein Gewehr und den Vorratssack.
    Nachdem sie die Tür verschlossen und von innen verriegelt hatte, kramte sie ihren Revolver aus dem Vorratssack, lief zum Fenster und blickte mit entsicherter Waffe auf die Lichtung. Ihr Atem ging keuchend, ihre Hände zitterten. So würde sie nie etwas treffen. Sie war weder Buffalo Bill noch Annie Oakley, seine zielsichere Freundin, über die sie gelesen hatte, und schon gar nicht so kaltblütig wie die beiden. Sie musste sich schon überwinden, auf einen auskeilenden Elch oder einen Wolf zu zielen, wenn sie das Leben ihrer Huskys bedrohten. Selbst auf einen gemeinen Verbrecher wie den Kopfgeldjäger zu schießen, würde ihr schwerfallen, vielleicht sogar unmöglich sein.
    Sie blieb lange am Fenster stehen, wagte nicht, sich abzuwenden, um ihrem Verfolger keine Gelegenheit zu geben, sich unbemerkt ans Haus zu schleichen. »Keine Angst! Ich kümmere mich gleich um Sie!«, rief sie dem Mountie zu. Er lag stöhnend auf dem Holzboden. »Der Mann in der Büffelfelljacke, von dem ich Ihnen erzählt habe, der mich nach Vancouver bringen soll … Er hat geschossen. Ich habe ihn deutlich erkannt. Er verfolgt uns mit einem Schlitten.« Er versuchte, sich aufzurichten. »Bleiben Sie liegen, Paul!«
    Doch nichts geschah. Ihr Verfolger ließ sich nicht blicken, und die Lichtung blieb verlassen und leer. Als hätte er sich plötzlich in Luft aufgelöst.
    »Das verstehe ich nicht«, sagte sie leise. »Wo ist er nur hin?«
    Sie wusste, dass ihr Verfolger niemals aufgeben würde. Ein Mann wie er, ein erfahrener Menschenjäger ohne die geringsten Skrupel, würde niemals klein beigeben, schon gar nicht, wenn er alle Trümpfe in der Hand hielt. Noch dazu war sie eine Frau. Sie drückte sich dicht an die Wand, um ihm kein Ziel zu bieten, und blickte forschend auf die Lichtung hinaus. Ob er einen großen Bogen gefahren war und sich von hinten an die Hütte anschleichen wollte? Würde er plötzlich vor dem Fenster auftauchen und eine Fackel in die Hütte werfen?
    Sie lief zu dem verletzten Mountie, riss ein Streichholz an und untersuchte die Wunde. Dann holte sie einen Verband aus ihrer Anoraktasche und tupfte vorsichtig das Blut ab. »Sie haben Glück gehabt, Paul! Das war nur ein Streifschuss! Das wird bald wieder.«
    Er stöhnte wieder. »Aber es tut verflucht weh.«
    »So wie bei mir, als ich über den Hang wollte.« Sie lächelte für einen Augenblick. »In zwei Tagen ist das Kopfweh vorbei.« Sie riss ein Stück von dem Verband ab, legte es auf die Wunde und klebte es mit einem Streifen aus seiner Erste-Hilfe-Tasche fest. Sie blickte sich in dem Halbdunkel um und erkannte die Umrisse eines Bettes. »Da steht ein Bett … Warten Sie, ich helfe Ihnen.«
    »Kommt gar nicht in Frage! Gehen Sie zum Fenster!«
    Sie gehorchte, nahm ihren Revolver vom Tisch und kehrte ans Fenster zurück. Draußen hatte sich nichts verändert. Die Lichtung lag einsam und verlassen unter dem dunklen Himmel, nur der Schnee verbreitete noch fahles Licht. Von dem Fremden war nichts zu sehen. »Das verstehe ich nicht«, sagte sie leise, »er müsste doch längst hier sein! Ob er irgendeine Teufelei vorhat?«
    Sherburne griff nach seinem Gewehr und stemmte sich auf die Ellbogen, brach aber gleich wieder zusammen und blieb stöhnend liegen. Er fluchte.
    Clarissa drehte sich erschrocken nach ihm um. »Bleiben Sie liegen, Paul! Ich schaffe das auch allein! Ruhen Sie sich aus! Sie können mir nicht helfen.«
    Sherburne antwortete nicht, er hatte wohl wieder das Bewusstsein verloren und lag ausgestreckt auf dem Boden. Sie blickte wieder aus dem Fenster, versuchte jede noch so geringe Bewegung in der Dunkelheit auszumachen. Ein Nachtvogel, der sich von einem der Äste erhob, wehender Schnee, wenn der Wind in die Wehen fuhr. Tanzende Schatten, wenn die Wolken für einen Moment den Mond freigaben. Kein Nordlicht, keine flackernden Farben.
    Eine Viertelstunde verging. Eine halbe Stunde. Die Lichtung blieb leer, von dem Mann in der Büffelfelljacke keine Spur. Sie hatte die Handschuhe ausgezogen und spürte, wie ihre Hände immer kälter wurden. Bestürzt erkannte sie, dass auch Sherburne dringend Wärme brauchte. Die Petroleumlampe auf dem Holztisch wagte sie nicht anzuzünden, den Ofen fand sie auch ohne Licht, und um ein Feuer in Gang zu bringen, reichten ein oder zwei Streichhölzer. Sie entzündete einige

Weitere Kostenlose Bücher