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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Paul, der inzwischen kaum noch Schmerzen spürte und bereits sein Pflaster von der Schläfe gezogen hatte. Einen Fingerbreit weiter rechts, und er wäre tot gewesen. Was aus dem Angreifer geworden war, ahnte sie nur. Wenn Bones ihr nicht nur im Traum erschienen war, hatte er wohl dafür gesorgt, dass der Fremde in der Büffelfelljacke sie nicht mehr angreifen konnte.
    Sie schloss die Augen und hätte gern etwas geschlafen, war aber viel zu unruhig und blickte stattdessen zum Baldachin des Himmelbetts empor. Bis Dawson City hatte sie es geschafft, eine Stadt, die sie schon verabscheut hatte, bevor sie angekommen war. Wie alle Boomtowns war sie viel zu laut und geschäftig, selbst jetzt im Winter, und sie könnte sich niemals vorstellen, dort zu leben. Eigentlich war sie nur hier, weil sie hoffte, ihre Freundin Dolly zu treffen, und weil die Mounties ihr keine andere Wahl gelassen hatten. Wenn Sherburne ihr schlechte Nachrichten überbrachte, wovon leider auszugehen war, müsste er sie verhaften und mit dem Hundeschlitten oder im nächsten Frühjahr mit dem Dampfer nach Vancouver zurückbringen lassen.
    Sie vertraute dem Mountie. Er war ein guter Mann, liebevoll, großzügig, alles andere als eitel und ein erstklassiger Musher. Ein Mann, wie ihn sich jede Frau wünschte. Auch sie fand ihn sympathisch und wäre vielleicht sogar bereit gewesen, mehr für ihn zu empfinden, wenn sie nicht jeden Tag noch an Alex denken würde. Außerdem gab es da immer noch einen Funken Hoffnung in ihr, auch wenn die Vorstellung, ihn in der Neujahrsnacht gesehen und seine Spuren in der Hütte gefunden zu haben, wohl eher ihrem Wunschdenken entsprungen war. Hatte sie Dolly nicht selbst vorgeschlagen, jetzt vor allem an ihre Zukunft zu denken und sich mit ihrem neuen Leben zu arrangieren? Sollte sie diesen klugen Ratschlag nicht auch selbst beherzigen?
    Zuerst einmal sollte sie Dolly finden, auch wenn ihr das inzwischen fast unmöglich erschien. Über zwanzigtausend Menschen lebten angeblich in Dawson City, eine fast unvorstellbare Zahl! Sie aß von dem Trockenfleisch, das noch in ihrem Rucksack war, und ließ sich einen Tee aufs Zimmer bringen. Kurz dachte sie daran, sich einen Rock anzuziehen und blieb dann doch in ihrer Winterkleidung. Fest entschlossen, die trüben Gedanken zu verdrängen, die schon wieder übermächtig zu werden drohten, griff sie nach ihrer Mütze und den Handschuhen und verließ ihr Zimmer. In der Eingangshalle verbeugte sich der Besitzer übertrieben tief vor ihr und wünschte einen guten Tag.
    »Entschuldigen Sie bitte«, wandte sie sich an ihn, »wissen Sie zufällig, wo ich Dolly Kinkaid finden kann? Sie muss im Spätherbst nach Dawson gekommen sein, eine Engländerin, die sicher in einem der Restaurants arbeitet.«
    »Bei uns leider nicht, so viel kann ich Ihnen versichern, und im Klondike gegenüber auch nicht. Der Besitzer ist ein guter Freund von mir, und er hätte mir sicher erzählt, wenn er eine Engländerin eingestellt hätte. Es gibt leider sehr viele Restaurants in Dawson City, Ma’am. Ich fürchte, Sie müssen alle einzeln abklappern. Ich würde hier auf der Front Street anfangen.«
    Die Suche gestaltete sich noch mühsamer als erwartet. In keinem der Restaurants auf der Front Street hatte man von Dolly gehört, und sie lief bereits die Restaurants in der First Avenue ab, als sie endlich fündig wurde. Aber nicht ein Restaurantbesitzer, sondern zwei Goldsucher, die in einem der Lokale gegessen hatten und zufällig mitbekamen, wen sie suchte, gaben ihr die gewünschte Antwort. »Dolly Kinkaid?«, sagte einer der beiden. »Die hübsche Engländerin? Klar wissen wir, wo die ist. In Aunt Millie’s Roadhouse, ungefähr fünf Meilen nordwestlich von hier, an der Wagenstraße nach Circle.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Klar sind wir sicher, Ma’am«, sagte der andere Goldsucher. »So eine Frau kann man nicht vergessen. Aunt Millie ist schwer krank, wissen Sie? Sie ist um die Siebzig und hat irgendwas an der Lunge. Eigentlich wollte sie den Laden verkaufen, aber sie könnte sowieso nichts mehr mit dem Geld anfangen, sagt sie, und überlässt den Laden lieber einer Frau, der sie vertrauen kann. Dolly ist in Ordnung. Also, wenn wir zwei nicht verheiratet wären …«
    Den letzten Teil des Satzes bekam Clarissa nicht mehr mit. Ihre Aufmerksamkeit wurde durch eine Bewegung auf der anderen Straßenseite abgelenkt, ein Mann, der aus dem Gemischtwarenladen gegenüber kam und einige Vorräte auf seinen Schlitten lud. In

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