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Clarissa - Wo der Himmel brennt

Clarissa - Wo der Himmel brennt

Titel: Clarissa - Wo der Himmel brennt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Ross
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Dollys Selbstbewusstsein und Entschlossenheit schwinden, und ihre Wut wich wieder der großen Sorge um ihren Mann. »Vielleicht haben sich Luther und dieser Willie geprügelt. Ein Ire und ein Engländer, das geht selten gut. Ich wäre die große Ausnahme, sagte Luther immer.« Sie lächelte schwach. »Vielleicht liegen die beiden bewusstlos vor der Hütte, und es ist weiter gar nichts passiert. Der Engländer, den er auf dem Schiff verprügelt hat, war einer unserer Trauzeugen.«
    Clarissa merkte, dass sie mit diesen Bemerkungen nur ihre große Angst überspielen wollte, und nahm das Heft in die Hand. »Geh ins Büro und schlaf weiter«, sagte sie zu dem Jungen. Und zu Dolly: »Dann lass uns nachsehen.«
    Über die Planken, die geschäftstüchtige Händler über die schmale Holly Street gelegt hatten, liefen Clarissa und Dolly nach Westen. Auch Clarissa fror jetzt nicht mehr, zu groß waren ihre Unruhe und die Ungewissheit über das Schicksal des Iren. Sie war lange nicht so optimistisch wie ihre neue Freundin, hatte große Angst, wie sie reagieren würde, wenn ihrem Mann tatsächlich etwas passiert war. So heftig, wie sie manchmal reagierte, konnte es leicht zu einem Kurzschluss kommen, der auch sie in große Gefahr bringen würde.
    Einige Huskys rissen jaulend an ihren Ketten, als sie die letzten Häuser der Straße passierten, zogen sich aber rasch wieder zurück, als ein doppelt so großer Hund in ihrer Nähe auftauchte und ärgerlich zu bellen begann. In einem der Häuser flammte eine Lampe auf, und eine ältere Frau, die anscheinend nicht schlafen konnte, lehnte sich aus dem Fenster, blickte neugierig auf die beiden Frauen hinab und verschwand wieder. Gleich darauf erlosch auch das Licht. Ein Betrunkener lehnte an einer Hauswand und sang vor sich hin.
    Hinter der Stadt versank die Straße in fast vollkommener Dunkelheit. Der Mond war hinter den Wolken verschwunden, und nur noch ein Bruchteil des trüben Lichtes erreichte die Erde und legte sich wie ein blasser Schleier über die Straße. Der Schnee, der sie fast vollständig bedeckte und im Schatten der Bäume noch immer hohe Wehen bildete, war verharscht und schmutzig.
    »Wir hätten Lampen oder Fackeln mitnehmen sollen«, sagte Clarissa.
    Dolly hörte gar nicht hin. Sie war ihr in der Sorge um ihren Mann weit vorausgeeilt, drehte sich alle paar Schritte nach ihr um und forderte sie mit ungeduldigen Blicken auf, doch schneller zu gehen. Sie konnte es gar nicht abwarten, mit dem Händler zu reden. Wahrscheinlich hoffte sie, dort zwei lallende Männer zu treffen, die heftig aufeinander eingedroschen und sich anschließend bei einer Flasche Scotch versöhnt hatten.
    Doch bis zum Haus des Händlers kamen sie gar nicht. Sie hatten noch nicht einmal die Lichtung mit seiner Hütte erreicht, als Dolly plötzlich auf etwas Dunkles am Straßenrand zulief. Ihr Schrei klang so laut und verzweifelt, dass Clarissa sofort ahnte, was sie gefunden hatte. »Luther!«, flüsterte sie entsetzt.

18
    Von der plötzlichen Angst getrieben, bei der reglosen Gestalt könnte es sich um Alex handeln, rannte Clarissa auf die Engländerin zu. »Alex! Alex!«, rief sie in ihrer Panik. »Du darfst nicht tot sein!«
    Als hätte sie völlig vergessen, dass sie in Alaska waren und nach Luther gesucht hatten. In Gedanken war sie wieder in Port Essington und sah sich zu den Klippen hinabsteigen, den Stiefel in der Hand, auf der verzweifelten Suche nach Alex’ Leiche. Wie in einem Albtraum verharrte sie in der Dunkelheit. Erst die verzweifelten Schreie der Engländerin lösten sie aus ihrer Erstarrung und holten sie in die Wirklichkeit zurück.
    Dolly schrie so laut und herzzerreißend, dass man glauben konnte, sie hätte den Verstand verloren. Ihr gerechter Zorn und ihre wilde Entschlossenheit fielen wie eine Maske von ihr und legten ihre zutiefst verletzte Seele bloß. In ihrem Schmerz hatte sie sich über ihren Mann geworfen, das Gesicht auf seiner Brust, ungeachtet des geronnenen Blutes, das seinen ganzen Oberkörper bedeckte. Ihre Worte waren kaum zu verstehen, nur das verzweifelte »Luther! Luther!«, und bei jedem unartikulierten Schrei hämmerte sie mit einer Faust auf den Schnee, als läge der Schuldige am gewaltsamen Tod ihres Mannes darunter. »Er ist tot! Sie haben ihn ermordet!«, rief sie verzweifelt.
    Clarissa ging neben ihr in die Knie und legte einen Arm um ihre Schultern. Unter ihrer Berührung zitterte Dolly, ansonsten eher kräftig und jedem Ansturm gewachsen, wie ein

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