Clarissa - Wo der Himmel brennt
Clarissa.« Wieder dieses süffisante Lächeln, das ihr wohl klarmachen sollte, dass sie keine andere Wahl hatte, als ihm zu gehorchen. »Aber Sie werden mir doch die Freude machen, Sie mit einigen kleinen Geschenken zu verwöhnen? Sie werden staunen, mit der California ist eine neue Kollektion aus San Francisco gekommen. Sie werden himmlisch darin aussehen. Die Leute sollen sich nach Ihnen umdrehen, wenn wir ausgehen.«
Clarissa erkannte, dass ihr keine andere Möglichkeit blieb, und ergab sich widerwillig in ihr Schicksal. Ihr war längst klar, dass Soapy Smith seine Drohung wahr machen und sie einsperren und an Frank Whittler ausliefern lassen würde, wenn sie ihm nicht zu Willen wäre. Solange er nur mit ihr ausgehen wollte, war die Schmach vielleicht noch zu ertragen. Doch was wäre, wenn er mehr wollte? Sie traute diesem Verbrecher alles zu, doch bevor er sich an ihr vergriff, würde sie ihn eher umbringen. Wieder spürte sie den Revolver in ihrer Manteltasche. Niemals würde sie sich von diesem Mann berühren lassen!
»Meinetwegen«, sagte sie. »Bringen wir es hinter uns!«
Soapy Smith öffnete die Tür und ließ ihr den Vortritt. Sein Lächeln blieb, als er ihr den Arm reichte, und wurde eher noch stärker, als sie sich abrupt abwandte und gar nicht daran dachte, sich wie eine Ehefrau bei ihm einzuhängen. Mit verkniffener Miene folgte sie ihm zu dem Kaufhaus, das ebenfalls ihm gehörte, wie sie später erfuhr, und in dem sich ein übereifriger Angestellter alle Mühe gab, seine Wünsche zu erfüllen. Er schien sich längst mit seiner Rolle als Soapy Smith’ williger Handlanger abgefunden zu haben, das verriet zumindest sein abgestumpfter und beinahe gleichgültiger Blick, aber wer wusste schon, was der Verbrecherkönig gegen ihn in der Hand hielt?
»Die Modellkleider, die mit der California gekommen sind«, ermahnte Smith den Angestellten zur Eile. »Zeigen Sie uns die schönsten und besten. Die Lady und ich wollen heute Abend ausgehen. Also … Was haben Sie?«
Die Bemerkung war natürlich dazu gedacht, sie weiter zu demütigen, und verfehlte ihre Wirkung nicht. Clarissa fühlte sich miserabel. Sie war gezwungen, sich in aller Öffentlichkeit als »ständige Begleiterin« des Verbrecherkönigs auszugeben, es sei denn, sie wollte riskieren, dass er sie an Frank Whittler verriet und ihre Welt wie ein Kartenhaus zum Einstürzen brachte. Versuchter Mord und Diebstahl würden ihr mindestens fünf Jahre einbringen, vielleicht sogar mehr, und die Chance, sich mit Alex eine neue Zukunft aufzubauen, wäre für immer dahin. Es gab keinen Ausweg aus ihrer misslichen Lage. Sie würde sich erniedrigen müssen, um überleben zu können. Und selbst dann war noch nicht sicher, ob Smith sich an diese Abmachung hielt.
Die Kleider waren wunderschön und wahrscheinlich sündhaft teuer, aber sie fand sich furchtbar darin und musste ständig daran denken, was Alex dazu sagen würde. Wahrscheinlich würde er sie auslachen. Wenn sich eine Frau verkleiden muss, hat sie es auch nötig … So oder ähnlich würde er lästern. Doch sie hatte keine andere Wahl. Soapy Smith hatte sich in den Kopf gesetzt, mit ihr auszugehen, und genoss seine Überlegenheit wahrscheinlich auch, weil er gar nicht anders konnte, als andere Menschen in die Enge zu treiben. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich zu fügen, auch wenn sie sich die Kleider am liebsten vom Leib gerissen und fluchend davongerannt wäre. Gab es denn keine Möglichkeit, sich gegen diesen Menschen zu wehren?
Mit einer neuen Garderobe, die ein halbes Vermögen wert war, schickte Soapy Smith sie in die Pension zurück. »Ich hole Sie um fünf ab«, sagte er mit einer Stimme, die keine Widerrede duldete. »Machen Sie sich ein bisschen hübsch, Clarissa. Wir wollen den anderen Gästen doch was zum Staunen geben. Und machen Sie sich keine Sorgen wegen der Schuhe … Ich komme mit dem Wagen.«
In der Pension stürmte sie sofort in ihr Zimmer und warf das Paket mit der neuen Garderobe gegen die Wand. Das Papier riss, und das kunstvoll bestickte Kleid, die Strümpfe, die Schuhe und der Hut fielen zu Boden. Sie trampelte wütend auf dem neuen Kleid herum und versetzte dem Hut einen Tritt, der ihn unters Bett beförderte. Die Schuhe warf sie im hohen Bogen hinterher.
»Was ist denn in dich gefahren?«, wunderte sich Mrs Buchanan. Sie waren inzwischen zur vertrauten Anrede übergegangen, und die Wirtin hatte sogar ihren Vornamen gelüftet. Nur ihre engsten Vertrauten durften
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