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Clarissa

Clarissa

Titel: Clarissa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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des Pferdes, wobei sie sich mit weißen Knöcheln an den Rand des Sattels klammerte, hielt Raine abrupt das Tier an, und Clarissa wäre um ein Haar über das Schwanzende zu Boden gefallen.
    »Halt dich fest«, brummelte er, während er sie beim nächstbesten Körperteil festhielt, und zwar an ihrem wunden Schenkel, so daß sie vor Schmerz wimmerte. »Still! « befahl er. »Dort, zwischen den Bäumen, siehst du sie? «
    Sie wischte sich rasch mit dem Ärmel die Schmerzenstränen weg und vermochte endlich eine Familie von Wildschweinen zu erkennen, die im Unterholz wühlte. Die Schweine hielten an, blickten mit ihren tückischen kleinen Augen auf und schnaubten sie über ihre langen scharfen Hauer hinweg an.
    »Halte dich fest«, brüllte Raine, ehe er seinem Pferd die Sporen gab und im Galopp auf das größte Schwein losritt, die Lanze stoßbereit gesenkt. »Klammere dich mit den Knien an das Pferd«, sagte er, als Clarissa mit angehaltenem Atem und offenem Mund das Schwein anglotzte, das sie zu attackieren begann. Das Tier erschien ihr so gewaltig im Vergleich zu den dünnen Beinen des Pferdes.
    Plötzlich kippte Raine zur Seite, so daß sein Körper parallel zum Boden war. Da Clarissa sich an ihn klammerte, kippte sie mit ihm. Fallend, aus dem Gleichgewicht gebracht, klammerte sie sich mit aller Macht an Raine fest, während er die Lanze in das Rückgrat des wütenden Tieres stieß. Der schreckliche Schrei war die Stimme des Todes, und Clarissa vergrub ihr Gesicht in Raines breitem Rücken.
    »Laß mich los! « grölte er, das Tier von seiner Lanze schüttelnd, und klaubte dann Clarissas Finger von seiner Brust. »Fast hättest du uns vom Pferd gerissen. Von jetzt an hältst du dich am Sattel fest. « Mit diesem Kommando galoppierte er wieder an, preschte durch den Wald, duckte sich unter niedrig hängenden, Zweigen und verfolgte durch das enge Spalier der Bäume ein zweites Schwein. Er erlegte zwei weitere Tiere so treffsicher wie das erste, ehe er anhielt und diesmal Clarissa von seinem Bauch entfernte. Sie konnte sich nicht daran erinnern, daß sie sich wieder an ihm festgehalten hatte, und war froh, daß er sich nicht mehr abfällig über ihre Feigheit äußerte.
    Kaum hatte er sich von ihrem Griff befreit, stieg er aus dem Sattel, holte eine Reihe von Lederschnüren aus der Satteltasche, und nachdem er sich vorsichtig an die Tiere herangepirscht hatte, band er ihre Füße zusammen.
    »Steig vom Pferd«, befahl er und wartete geduldig, bis sie seiner Aufforderung nachgekommen war.
    Ihre Beine, die an das Reiten nicht gewohnt waren, knickten unter ihr ein, und sie hielt sich am Sattel fest, damit sie nicht zu Boden fiel.
    Raine, der nicht auf sie achtete, warf die toten Schweine über den Rücken des Pferdes und ging dann vor zu dessen Kopf, um es zu beruhigen, da es von dem Geruch des frischen Blutes nervös wurde und tänzelte.
    »Führ das Pferd, und folge mir«, befahl er, ihr den Rücken zukehrend und schritt los.
    Nach einem furchtsamen Blick auf den Hengst, der mit zurückgelegten Ohren die Augen rollte und von dem heftigen Galopp Schweißflocken auf dem Fell hatte, schluckte Clarissa ihre Angst hinunter und griff nach dem Zügel. Der Hengst stieg mit den Vorderbeinen hoch, und Clarissa sprang entsetzt zur Seite, während sie rasch einen Blick in die Richtung schickte, wo Raine zwischen den Bäumen gerade noch sichtbar war.
    »Nun komm schon, Pferd«, flüsterte sie und näherte sich langsam dem Tier, doch wieder scheute es vor ihr zurück.
    Da sie auf diese Weise nichts erreichte, blieb sie stehen, sah dem Pferd in die Augen und begann leise zu summen, probierte verschiedene Noten und unterschiedliche Tempos aus, bis sie spürte, daß der Hengst bei einem recht alten, simplen Reigentanz die Ohren spitzte. Als sich das Pferd bei dieser Melodie zu beruhigen schien, griff sie nach dem Zügel, und ihre Stimme wurde mit wachsendem Selbstvertrauen kräftiger.
    Minuten später, die Hüften schwingend vor Stolz auf ihre Leistung, erreichte sie die kleine Lichtung, wo Raine ungeduldig mit dem dritten Schwein auf sie wartete.
    »Zum Glück«, sagte er, »habe ich Wachen ausgestellt. « Er wuchtete das Schwein auf den Rücken des Hengstes. »Du machst einen Lärm, daß man es im Umkreis von einer Meile hören kann. «
    Sie war so schockiert, daß ihr der Atem stockte. Seit ihrem zehnten Lebensjahr hatte sie nur das überschwenglichste Lob für ihre Musik bekommen, und nun wurde sie als »Lärm« abqualifiziert.

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