Clarissa
vorbereitet war. Sich auszuruhen, dachte sie, nur ein paar Stunden still liegen zu können, würde das Paradies auf Erden bedeuten.
»Noch nicht, Junge«, sagte Raine, faßte sie am Arm und zog sie wieder in die Höhe. »Wir haben noch etwas zu erledigen, ehe wir uns zur Ruhe legen können. Die Wachen müssen kontrolliert! werden, ich habe Fallen aufgestellt, und wir brauchen beide ein; Bad. «
Das schreckte sie wieder wach. »Ein Bad! « keuchte sie. »Nein, ich nicht. «
»Als ich so alt war wie du, mußte man mich auch in das Bad prügeln. Mein älterer Bruder scheuerte mir den Rücken mit einer Pferdebürste. «
»Man hat Euch sogar zu etwas gezwungen? « fragte sie ungläubig.
Raines Stolz schien bei dieser Frage aufzubegehren: »Tatsächlich mußten mich meine beiden älteren Brüder festhalten, und Gavin hatte danach ein geschwollenes Auge. Aber jetzt heißt es wieder an die Arbeit gehen! «
Zögernd folgte ihm Clarissa nach draußen, doch trotz aller Willensanstrengung gelang es ihr nicht, seinen federnden Gang nachzuahmen. Sie taumelte hinter ihm her, folgte ihm wie eine Leiche durch den Wald, stolperte über Steine, prallte immer wieder gegen einen Baum, während sie einen großen Kreis um das Lager beschrieben und Raine sich davon überzeugte, daß seine Wachen auf dem Posten waren, und zwischendurch Kaninchen und Hasen aus seinen Fallen entfernte. Anfangs versuchte er noch mit ihr zu reden, ihr zu erklären, was er tat, wie man einen Stein ins Unterholz werfen mußte, um zu beobachten, wie die Wächter darauf reagierten; doch nach einer Weile musterte er sie im Mondlicht, bemerkte ihre Erschöpfung und stellte das Reden ein.
Am Fluß außerhalb des Lagers befahl er ihr, still zu sitzen und zu warten, bis er gebadet hatte. Sie lehnte sich an die Uferböschung, stützte den Kopf auf einen Arm und beobachtete mit trägem Interesse, wie Raine sich seiner Kleider entledigte und in das eiskalte Wasser watete. Das Mondlicht versilberte seinen Körper, liebkoste seine Muskeln, spielte über seine Schenkel, streichelte die Muskeln seiner prächtigen Arme.
Sich auf die Ellenbogen aufstützend, beobachtete Clarissa ihn ungeniert. Bisher war ihr Leben ausschließlich der Musik gewidmet gewesen. Während andere Mädchen am Dorfbrunnen mit den Jungen flirteten, hatte sie ein lateinisches Klagelied für vier Stimmen komponiert. Als ihre Freundinnen sich verheirateten, organisierte sie in der Kirche den Knabenchor. Sie hatte nie Zeit gehabt, mit Jungen zu reden, sie kennenzulernen — hatte sich tatsächlich nie für sie interessiert, weil sie viel zu beschäftigt gewesen war, Notiz von ihnen zu nehmen.
Nun beobachtete sie zum erstenmal in ihrem Leben diesen nackten Mann beim Baden und spürte die ersten Regungen von… von was? Sie wußte natürlich, was eine Paarung war, hatte sogar zugehört, wenn frisch verheiratete Frauen miteinander klatschten; doch sie hatte nie ein Interesse an diesem Vorgang empfunden. Als dieser Mann vor ihr stand, aus dem Wasser stieg wie ein vom Himmel geschickter Zentaur, regten sich in ihr Gefühle, die sie nicht für möglich gehalten hätte.
Lust, dachte sie, indem sie sich noch mehr aufrichtete. Reine und simple Lust war das, was sie empfand. Sie hätte sich gern von ihm berühren und küssen lassen, sich neben ihn gelegt und herausfinden wollen, wie sich seine Haut anfühlte. Da kamen ihr wieder die Gefühle in den Sinn, die sich in ihr regten, als sie rittlings auf ihm saß. Ein warmer Schauer durchrieselte sie, ihre Beine schienen lebendiger zu werden, selbst ihr Füße wurden wärmer.
Als er den Fluß verließ und auf sie zukam, hätte sie ihm fast die Arme entgegengehoben.
»Du siehst verschlafen aus«, sagte Raine, während er sich trockenrieb. »Bist du sicher, daß du kein Bad nehmen willst? «
Clarissa vermochte nur das Tuch zu verfolgen, mit dem er sich die Schenkel trockenrieb, und schüttelte versonnen den Kopf.
»Aber ich warne dich, Junge. Bald wirst du so schlimm riechen, daß ich dich aus dem Zelt jage. Und dann bade ich dich selbst, und ich verspreche dir, daß es keine lustige Sache sein wird. «
Mit geweiteten Augen blickte Clarissa ihn an, während ihr Atem immer schneller ging. Wie war das wohl, wenn sie von so einem Gott von Mann gebadet wurde?
»Fehlt dir etwas, Junge? « erkundigte sich Raine besorgt und kniete sich stimrunzelnd neben sie hin, weil sie ein so sonderbares Gesicht machte.
Junge! Sie mußte eine Grimasse schneiden. Er dachte, sie sei
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