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Clarissa

Clarissa

Titel: Clarissa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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sich zu lenken. Wenn sie ein hübsches Kleid tragen könnte, würde er sie vielleicht beachten, aber dann war sie ganz gewiß noch keine Schönheit.
    »Nimm deinen Kopf aus den Wolken, Junge, und hör mir zu. «
    Seine Stimme brachte sie in die Gegenwart zurück.
    »Kannst du schreiben, was ich dir diktiere? Ich möchte dem Boten meines Bruders Briefe mitgeben. «
    Als sie Feder, Tinte und Papier hatte, begann Raine zu diktieren. Der Brief, den er an seinen Bruder richtete, war voller Zorn und Entschlossenheit. Er schwor, daß er so nahe wie möglich bei seinen beiden Schwestern bleiben und so lange, wie er konnte, warten wolle, bis er Chatworths Kopf mit der Faust zerschmettern würde. Was den König betraf, so hatte er keine Bange, da Heinrichs Haupteinnahmequelle von Männern stammte, die er zu Verrätern erklärte. Er teilte Gavin mit, daß Heinrich ihn begnadigen würde, sobald er sich einverstanden erklärte, auf einen großen Teil seiner Ländereien zu Verzichten.
    Raine ignorierte Clarissas erschrockenes Schlucken, als er sich auf so unverschämte Weise über seinen obersten Lehnsherrn ausließ.
    Der Brief an Judith war so warm und liebevoll wie ihrer, und er erwähnte darin sogar einmal seinen neuen Knappen, der glaubte, er habe keinen Verstand, nicht einmal genug Decken, um sich warm zu halten, denn er decke ihn öfters nachts zu. Mit gesenktem Kopf, damit Raine ihre blutroten Wangen nicht sah, schrieb Clarissa das nieder. Sie hatte nicht geahnt, daß er bemerkte, wie sie oft auf Zehenspitzen zu ihm schlich und die pelzgefütterten Decken über seine bloßen Schultern zog.
    Den Rest des Briefes schrieb Clarissa gedankenlos nieder, zu verwirrt, um nachzulesen, was sie schrieb. Und als sie geendet hatte, legte sie die Briefe Raine zur Unterschrift vor. Während er sich zu ihr neigte, sein Gesicht dem ihren nahe, roch sie den Duft seiner Haare, dieser dicken, dunklen Masse aus Locken, und wollte darin ihr Gesicht vergraben. Doch sie berührte nur eine Locke und sah zu, wie sie sich um ihre Fingerspitze rollte.
    Raines Kopf schoß hoch, als hätte er sich verbrannt, und sein Gesicht war nur ein paar Zoll von ihr entfernt, während er sie mit großen Augen betrachtete. Clarissa spürte, wie ihr der Atem stockte und das Herz einen Satz machte. Nun wird J er es wissen, dachte sie. Nun wird er sagen, daß ich ein Mädchen bin, eine Frau.
    Stimrunzelnd trat Raine von ihr weg, sah sie an, als könnte er sich nicht ganz schlüssig werden, was hier geschah. »Versiegle die Briefe«, sagte er still, »und gib sie dem Boten. « Darauf verließ er das Zelt.
    Clarissa seufzte so heftig, daß einer der Briefe zu Boden flatterte, und ihre Augen liefen über. Häßlich, dachte sie. Das ist es, was ich bin — so schrecklich, schrecklich häßlich. Kein Wunder, daß sich kein Mann dem Gebot des Priesters widersetzt und sie zur Frau genommen hatte. Warum für einen Preis kämpfen, für dessen Gewinn die Anstrengung nicht lohnte? Wer verlangte ein flachbrüstiges, knabenhaftes Mädchen mit einer lauten Stimme zur Frau? Durfte sie sich wundern, daß Raine ihre Verkleidung nicht durchschaute?
    Mit einer scharfen Rückhandbewegung wischte sie die Tränen aus den Augen und sah auf die Briefe hinunter. Zweifellos waren seine Schwestern und Schwägerinnen wunderschöne Frauen mit vollen Brüsten…
    Noch ein tiefer Seufzer, und sie faltete die Briefe, versiegelte sie und trug sie hinaus zu dem Boten, den sie bis zu seinem Pferd begleitete.
    »Habt Ihr Lady Judith oder Lady Alicia schon einmal aus der Nähe gesehen? « erkundigte sie sich bei dem Boten.
    »Aye, schon oft. «
    »Und sind Sie Eurer Ansicht nach schöne Frauen? «
    »Schön? « lachte er, während er sich auf sein Pferd schwang. »Gott muß einen glücklichen Tag gehabt haben, als er diese Frauen erschuf. Lord Raine würde nie England verlassen, und ich täte es an seiner Stelle auch nicht, wenn ich eine von diesen Frauen zu meiner Familie zählen dürfte. Los Junge, versuche jemand zu finden, der ihn zu trösten vermag«, sagte er und deutete auf das Zelt. »Soviel Schönheit könnte ich nicht eine Stunde entbehren, ohne vor Sehnsucht krank zu werden. «
    Ihn trösten! murmelte Clarissa, während sie zum Zelt zurückging, wo sie von einem Tumult begrüßt wurde, dessen Mittelpunkt Raine darstellte.
    »Ihr könnt eurem Schöpfer für euer Leben danken, daß ihr sie nicht umgebracht habt«, sagte er zu den beiden Männern, von denen einer ein Taschendieb, der andere ein

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